Sorry
ich weiß nicht, was ich ...
Wieder diese Stille, die nur durch das Klappern von Tellern und dem Stimmengemurmel im Restaurant unterbrochen wird. Dein Magen brodelt, deine Hände sind so feucht, daß du sie dir an den Hosenbeinen abwischen mußt. Das hier ist nicht in Ordnung, so sollte es nicht sein. Reue? Du willst diesen Mann nicht zusammenbrechen sehen, du willst sein Mitleid nicht. Alles ist falsch.
Fichtner sagt, er müßte mal schnell auf die Toilette.
– Niemand sollte mich so sehen, erklärt er mit einem müden Lächeln und zeigt auf seine Augen. Du wehrst dich gegen die Sympathie, du hast große Lust, ihm zur Toilette zu folgen.
Als Fichtner Minuten später wieder an den Tisch kommt, schlägt er vor, daß ihr woandershin geht. Es ist ein wenig, als würde er deine Gedanken lesen. Wenn er das könnte, dann würde er jetzt davonrennen.
Du zahlst, Fichtner wartet vor dem Restaurant auf dich.
– Hast du einen Wagen?
Du schüttelst den Kopf, du bist erleichtert, daß es so einfach ist. All die Tage, die du mit der Recherche verbracht hast, haben sich gelohnt. Du hättest Fichtner schon früher aufgesucht, aber du wolltest genau sein. Es gibt für dich nichts Schlimmeres als amateurhafte Arbeit.
Ihr bleibt vor Fichtners Wagen stehen, die Marke ist eine andere, auch ist er nicht rot lackiert. Ihr steigt ein und schnallt euch an. Fichtner fährt los, ohne dir zu sagen, wohin es geht.
Aus den Resten der alten Freundschaft entstand eine neue Nähe. Als zum Jahresende die Wohnung unter Butchs frei wurde, zog Sundance nach Charlottenburg. Sie beendeten das Studium, reisten einen Monat lang durch Asien und wuchsen in den folgenden Jahren mehr und mehr miteinander. Es war fast schon zu perfekt.
Dir ist bewußt, daß es schwierig ist, das Leben zweier Menschen zusammenzufassen. Jahre zählen nicht, alles hängt sich an Ereignissen auf. Die schlechten und die guten Tage. Wenn du auf das Leben von Butch und Sundance zurückschaust, kannst du mit Gewißheit sagen, daß ihre gemeinsamen Jahre die besten Jahre waren. Ohne Distanz, eine wunderbare Form der Nähe.
Natürlich erlebten sie auch Krisen, stritten sich und beleidigten einander, aber es waren oberflächliche Streitereien, die nicht länger als einen Tag anhielten und für die sie immer eine Lösung fanden. Hätte man Sundance damals gefragt, hätte er nicht sagen können, was jemals zwischen Butch und ihn hätte kommen können. Aus Freunden waren Brüder geworden. Es gab keine Geheimnisse zwischen ihnen. So schien es zumindest. Deswegen war Sundance vollkommen unvorbereitet.
Butch rief eines Morgens aus seinem Büro an. Ihm fehlten wichtige Papiere, er saß in einer Konferenz fest und konnte nicht weg.
– Falls du nachher in der Nähe der Wohnung bist ...
Sundance versprach, ihm die Papiere um die Mittagszeit vorbeizubringen. Eine Stunde später schloß er Butchs Wohnungstür auf und zögerte kurz, als ihm bewußt wurde, daß er die Wohnung seines Freundes zum erstenmal allein betrat. Sundance schaute in die Zimmer und war nicht überrascht. Alles schien wie immer. Butch lebte in einer peniblen Ordnung. Die Socken waren in Schubladen sortiert, nichts ragte falsch aus dem Kleiderständer, und selbst die Kosmetik im Badezimmer war nach System ausgerichtet.
Wenn du heute darüber nachdenkst, schiebst du alles, was darauf folgte, auf die Neugierde und vergißt, daß auch schlechtes Timing ein wesentlicher Faktor war. Hätte Sundance an dem Tag keine Zeit gehabt, hätte ihn Butch nicht erreicht, hätte Butch seine Papiere nicht vergessen ...
Sundance fand die Papiere auf dem Wohnzimmertisch und bemerkte dabei die Unordnung vor dem Fernseher. Ein Weinglas war umgekippt und hatte einen Fleck auf dem Teppich hinterlassen, daneben lagen zusammengeknüllte Taschentücher. Eine der Kommodenschubladen war zur Hälfte rausgezogen. Sundance zog sie ganz auf und sah schmale DVD-Hüllen. Ihre Rücken zeigten nach oben und waren unbetitelt. Sundance öffnete eine der Hüllen. Auch die DVD darin hatte keinen Titel.
Ich geh jetzt , dachte er, ich schau mir jetzt nicht die Pornokollektion meines besten Freundes an, daß das mal klar ist.
Aber genau das tat er. Er nahm die DVD aus der Hülle, schob sie in den Player und schaltete den Fernseher an. Mit Schuldgefühl, mit Widerwillen, aber auch mit viel Neugierde.
Butch war neu in der Werbeagentur und wollte sich beweisen, deswegen machte er jeden Tag frühestens um acht Feierabend. Auch dieser Tag sollte
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