SOS - die Erde erkaltet
waren. Die dritte Gestalt war eine blauäugige Frau, groß und schlank, mit Haaren von mattgoldener Farbe. Kenniston war von ihrem Anblick betroffen. Er hatte schönere Frauen gesehen, aber selten eine, deren Haltung solche Anmut und Würde zeigte und die mit einem so geraden, klugen Blick in die Welt sah. Beinahe im gleichen Augenblick aber ärgerte er sich über sie. Er hatte keinen tieferen Grund dafür als die Tatsache, daß sie ihm unvermittelt den riesig erweiterten Horizont an Wissen und Erfahrung zum Bewußtsein brachte, der weit jenseits seines jetzigen Gesichtskreises lag. Und doch war ihr Mund freundlich – ein ganz energischer Mund, aber bereit zu lächeln.
Der jüngere der zwei Männer war breit, hart und robust, mit rotbraunen Haaren und einem jener offenen jovialen Gesichter, hinter denen ein stahlhartes Wesen steckt. Ähnlich wie bei der Frau war seine Haltung von behender Wachsamkeit, vorsichtig und ein wenig zurückhaltend. Der andere Mann war hager, unordentlich und recht menschlich. Von der kühlen Zurückhaltung seiner Gefährten war nichts an ihm zu bemerken. Kenniston wurde bei seinem Anblick warm ums Herz. Es herrschte ein sonderbares Schweigen, und die Frau und die zwei Männer blieben stehen. Sie blickten auf die Middletowner, und die starrten wiederum sie an. Dann sagte die Frau etwas in einer schnellen unbekannten Sprache zu ihren Gefährten. Der jüngere Mann nickte schweigend, und der begeisterte Begleiter stieß eine Flut von Worten hervor, die sich geradezu überstürzten. Bürgermeister Garris trat zögernd vor. »Ich …«, sagte er und stockte. Das kleine Wort wurde vom Winde verweht. Die blonde Frau betrachtete ihn mit ihrem leuchtenden Blick interessiert und leicht erheitert. Der magere Mann trat vor und ging auf die Wartenden zu. Er formte die Worte sorgfältig, als er sagte: »Hier ruft Middletown.« Und wiederum: »Hier ruft Middletown!«
Kenniston war erschüttert und höchst erstaunt.
Er hörte Bürgermeister Garris einen quiekenden, erstickten Schrei ausstoßen. Eine Woge des Erschreckens, die man an dem tiefen Aufatmen eines jeden einzelnen der Anwesenden erkennen konnte, ging durch die enggedrängte Menge. Kennistons wandernde Gedanken kehrten mit einem Schlag in die Gegenwart zurück. Das vierte Mitglied der Gruppe war nachgekommen und hatte sich den drei anderen angeschlossen. Und auch Kenniston selbst war über das, was er sah, entsetzt. Der vierte der Ankömmlinge war kein Mensch. Menschenähnlich, ja – aber kein Mensch.
Er war groß, sein Körper außerordentlich kräftig, die dicken Arme endeten in Händen, die schweren Pfoten glichen. Gekleidet war er in seinen eigenen, zotteligen Pelz, der durch ein harnischähnliches Gewand ergänzt wurde. Er hatte einen flachgedrückten Kopf, die Schnauze sprang nach Art eines Tieres vor, seine runden, buschigen Ohren waren beweglich.
Und seine Augen … Die Augen waren das Schrecklichste. Sie begegneten Kennistons Blick, groß, dunkel und zeigten einen beweglichen, durchdringenden Verstand. Gutmütige Augen, die neugierig lächelten …
Der Bürgermeister war zurückgewichen. Sein Gesicht war ganz weiß. Er rief schrill: »Wahrhaftig, das ist kein Mensch!«
Der zottelige Mann war überrascht über diesen Ausbruch. Er sah die Frau und den Mann an, und sie starrten alle drei auf Garris. Das Geschöpf ging ein oder zwei Schritte auf Garris zu und streckte seine pfotenähnliche Hand aus. Er sprach langsam mit dröhnender Stimme und lächelte; dabei fletschte es eine Reihe großer Zähne, die im Licht scharf wie Säbel glitzerten.
Garris kreischte. Und Kenniston bemerkte den panischen Schrecken auf den Gesichtern der anderen Männer und sah die Gewehre hochgehen.
»Haltet ein!« schrie er gellend, sprang vor und stieß den Bürgermeister beiseite. »Um Gottes willen, wartet doch, ihr Narren!« Er stand ihnen jetzt von Angesicht zu Angesicht gegenüber, so daß er den Fremdling mit seinem Körper deckte.
Er empfand selbst Widerwillen gegen dieses Geschöpf, das zugleich Tier und doch wieder auch Mensch war. Aber das Wesen mit dem Pelz hatte ihn angeblickt und gelächelt …
»Schießt nicht«, schrie er. »Es ist ein Geschöpf mit Verstand, es gehört zu den Menschen vom Schiff!«
»Gehen Sie weg, Kenniston!« brüllte der Bürgermeister, und seine Stimme klang hell vor sinnloser Angst. »Das Scheusal sieht gefährlich aus!« Die Gewehre, die auf Kenniston gerichtet waren, schwenkten scharf von ihm weg. Er wandte sich
Weitere Kostenlose Bücher