SOS - die Erde erkaltet
Gorr Holls zottelige Gestalt. »Und was ist mit ihm?«
Wieder schien Piers Eglin in seinem Gedächtnis nach einem Namen zu suchen. Dann sagte er: »Kapella. Gorr Holl ist vom Sternbild Kapella.« Ein Schweigen trat ein, während die vier auf die Bevölkerung Middletowns blickten. Kennistons Gedanken waren ein chaotischer Wirbel, aus dem eines klar herausragte: Der Fernsehapparat der Stadt unter dem Dom war in der Tat weit außerhalb seines Begriffsvermögens gelegen. Dieses Radio war für Entfernungen zwischen den Sternen gebaut. Dorthin war der Ruf gedrungen, und von dort war er beantwortet worden – von der Wega, von der Kapella, von den Sternen!
»Aber Sie sprechen ja unsere alte Sprache!« rief er ungläubig Eglin zu. Piers Eglin erläuterte stotternd: »Ich bin ein Historiker, der sich auf die Kulturepoche der Erde vor der Entdeckung der Atomkraft spezialisiert hat. Ich lernte Ihre Sprache aus den alten Berichten. Deshalb habe ich mir auch Urlaub erbeten, um diese Gesellschaft zur Erde zu begleiten.« Die Frau unterbrach ihn. Sie fröstelte ein wenig, und sie sprach nun mit leiser, schneller Stimme. Piers Eglin erklärte ihnen: »Das ist Varn Allan, die Administratorin dieses – dieses Sektors. Dieser Mann«, er nickte dem Jüngeren mit dem rotbraunen Haar zu, »ist Norden Lund, der Subadministrator.« Er erinnerte sich nur mühsam an die richtigen Worte, und sie auszusprechen war ihm noch beschwerlicher. »Varn Allan bittet, daß wir uns innerhalb der Stadt unterhalten, wo es nicht so kalt ist«, fügte er hinzu.
Bürgermeister Garris, der selbst halb erfroren war, gab diesem Verlangen nur zu gerne nach. Er wandte sich dem Portal zu, hinter dem all die Tausende Middletowner mit Mühe zurückgehalten wurden. Ihre vielen Gesichter zeigten sich als blasser, verschwommener Fleck durch das Glas des Domes.
»Macht Platz!« befahl Garris. Er gab den schwitzenden Männern der Polizei und der Garde, die vorne standen, einen Wink. »Macht jetzt einen Weg frei, wir kommen hinein.«
Die Menge machte in ihrer Mitte eine schmale Gasse frei, die durch die Bemühungen der Gardesoldaten erweitert wurde. Bürgermeister Garris schritt den Sternenbewohnern voran. Als erste folgte Varn Allan Garris durch das Portal. Hinter ihr kam Norden Lund, grinste und schüttelte den Kopf, wie es ein Mensch bei schlechten Manieren von Kindern macht. Dann lächelte Varn Allan dem Volk zu und ging weiter. Die Reihen der Menge schwankten, die Gardesoldaten fluchten, und eine respektlose Seele flüsterte anerkennend der großen, schlanken Frau mit dem goldenen Haar etwas zu. Sie stellten laut Fragen an sie, tausend auf einmal, und begrüßten sie mit überschwenglichen Worten, wie es Menschen tun, die lange gewartet haben, ehe sich ihnen eine längst aufgegebene Hoffnung doch noch erfüllte. Kenniston betrat mit Gorr Holl die Stadt. Die Menschen hatten das Geschöpf noch nicht richtig gesehen, nur als undeutliche, dunkle Gestalt jenseits der Wand aus gebogenem Glas. Als sie ihn erblickten, verstummten ihre Stimmen einen Augenblick völlig, und als sie erneut erklangen, hatten sie einen Unterton von Ungläubigkeit und Angst. Kenniston ging nahe neben dem zotteligen Bewohner von Kapella, und seine Hand ruhte auf einer der mächtigen Schultern des Mannes; damit wollte er der Menge beweisen, daß sie nichts zu fürchten hatte. Und die Leute starrten.
Kenniston schrie Erklärungen, und unter seiner Hand fühlte sich der dunkle, dichte Pelz heiß und fremdartig an; beinahe hatte er ebensoviel Angst vor Gorr Holl wie die Middletowner. Und dann kam aus der Menge heraus ein winziges Mädelchen geradewegs in ihren Weg gewackelt. Seine Augen glänzten vor kindlichem Vergnügen, und es lief auf Gorr Holls mächtige, zottelige Gestalt zu. »Teddybär!« kreischte es voll Freude. »Teddybär!« und schlang die Ärmchen um sein Bein. Gorr Holl lachte dröhnend. Er streckte seine große Pfote aus, um ihm den Kopf zu streicheln, und andere Kinder kamen herbeigelaufen. Das kleine Mädchen hob er auf die Schulter, sie saß rittlings oben, klammerte sich an seine Ohren, und nach diesem Vorfall war es unmöglich, sich vor ihm noch zu fürchten. Die Spannung in der Menge ließ nach.
Piers Eglin, der zumindest einen Teil davon erfaßt haben mußte, blickte Gorr Holl von der Seite an, aber er bot sich nicht an zu dolmetschen. Die Menge wurde zu einer flutenden Masse, die den Fremden entlang der Boulevards folgte. Hilfe, Hoffnung und Kameradschaft waren endlich
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