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Soucy, Gaetan

Soucy, Gaetan

Titel: Soucy, Gaetan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trilogie der Vergebung 02 - Die Vergebung
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ersten Takte erklangen.
    »Ganz recht. Sie haben’s erraten.«
    Der Oberleutnant setzte sich wieder. Er wartete auf Antwort. Louis hob die Schultern, zum Zeichen seines Unwis sens.
    »Ich weiß nur wenig über sie. Ich habe sie seit zwanzig Jahren nicht gesehen. Damals war ich Musiklehrer in Saint-Aldor. Monsieur von Croft hatte mich gebeten, seinen Töchtern Unterricht zu geben …«
    »Und jetzt kommen Sie einfach so zu Besuch, nach zwan zig Jahren?«
    »Ich … es ist eine persönliche Angelegenheit.«
    Wieder schaute Hurtubise Louis wortlos an. Um Fragen über die Gründe seines Kommens zu umgehen, schickte dieser sich an, das Wenige zu berichten, das er über Robert von Croft wusste. Er hatte Deutschland Anfang der zwanziger Jahre verlassen. Seines Zeichens Tischler, war er in seiner Jugend in einer Arbeitergruppe gewesen und mit extremistischen Bewegungen aneinandergeraten, Gott weiß wie und warum. Zudem war er mit einer Jüdin verheiratet, was ihm das Leben nicht gerade leichter machte.
    »In der Tat«, sagte der Offizier und hob die Augenbrauen.
    Wahrscheinlich war es die Sprache, die sie, als die Entscheidung feststand, aus Europa wegzugehen, auf die Idee gebracht hatte, sich in Kanada niederzulassen, denn die Frau war Israelitin französischer Herkunft.
    »Das ist lustig«, warf Hurtubise ein, »meine Mutter ist auch Jüdin.«
    Die Frau hatte zwei Töchter zur Welt gebracht – eineiige Zwillinge. Sie war im Wochenbett gestorben.
    »Später, vermute ich, hat Monsieur von Croft wieder geheiratet, da er jetzt auch einen Sohn hat. Nun … das ist alles. Mehr weiß ich nicht.«
    Bapaume wandte das Gesicht ab. Mit dem Zeigefinger schlug er auf der Armlehne den Takt. Er fühlte sich schuldig, er empfand eine unbestimmte Scham, weil Hurtubise gesagt hatte, dass seine Mutter Jüdin sei.
    »Ich kann mir vorstellen, es muss seltsam für Sie sein, diese Leute nach so vielen Jahren wiederzusehen. Die Zwillinge vor allem. Es ist doch merkwürdig. Zwei kleine Mädchen, die man kennt, seit sie ihre ersten Liedersingen, sie sind die Poesie in Person, auf Du und Du mit den Kobolden und Schmetterlingen, alles, einfach alles, und von einem Liebreiz, der Ihnen ans Herz geht. Es wird einem schwindelig, stellt man sich vor, was das wohl einst für Feen werden. Und dann sieht man sie zehn Jahre später wieder und sie haben nichts Besseres im Sinn, als den Sohn des Notars zu heiraten. Mir ist das ein Rätsel.«
    »Mein Vater war Notar. Mir ist nie jemand hinterhergelaufen, um mich zu heiraten.«
    »Nun ja, vielleicht ist es nur mein persönlicher Eindruck«, sagte Hurtubise mit einer Handbewegung, als wolle er eine unangenehme Erinnerung verscheuchen.
    Bapaumes Erzählung hatte die Neugierde des Offiziers angestachelt, der nun noch weniger begriff, was der Grund für eine derartige Rückkehr nach zwanzig Jahren sein könnte. Bei jedem anderen hätte er seine Bedenken überwunden und eine direkte Frage gewagt. Aber da lag etwas im Verhalten des Reisenden, wenngleich fügsam und sichtlich darum bemüht, den Wünschen anderer gefällig zu sein, das um ihn eine Mauer von Geheimnissen, eine Mauer von Schwäche errichtete, die alle Zudringlichkeit verbot. Auf dem Grammophon hatte die Nadel zu springen begonnen, Hurtubise erhob sich und stellte es ab.
    Louis’ Blick folgte dem Oberleutnant aus dem Augenwinkel. Er fühlte sich wie als Kind, als er eine Invention von Bach vorgespielt hatte und auf das Urteil des Lehrers wartete (der ebendies tat: sich ans Fenster stellte, die Arme hinter dem Rücken verschränkte und schwieg). Louis hätte seinerseits den Offizier fragen können, was er hier in der Gegend trieb. Wozu eine bewaffnete Truppe inmitten dieser verlorenen Berge? Doch teils aus Zaghaftigkeit,teils aus Überdruss, auch aus Resignation über die Fragen ohne Antwort, die den harten Kern der Welt zu bilden scheinen, verzichtete Bapaume darauf, den Offizier zu befragen.
    Dieser betrachtete, auf seiner Pfeife kauend, die Berge. Mehrere Minuten lang war es, als habe jeder den anderen seiner Beschäftigung überlassen und als befänden sie sich in getrennten Räumen. Hurtubise nahm ein Notizbuch aus der Tasche und schrieb einige Sätze hinein. Bapaume blätterte in seinen Noten. Keiner der beiden sagte ein Wort. Aber durch diese Stille, als Hintergrundgeräusch gewissermaßen, geisterte die Küsterstochter, drang für kurze Mo mente ins Bewusstsein, wie das Ticken einer Wanduhr, das man plötzlich bemerkt.
    Unvermittelt trat Chouinard

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