Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
irgendwie befleckt. Wie könnten sie es auch nicht sein?
Ich bin nicht allein hier draußen. Die meisten anderen Gäste sind männlich und rauchen: nicht nur Studenten, sondern auch Touristen und Büroangestellte. Das letzte Mal, als ich hier war, fand ich die Typen mit ihren Zigaretten sexy. Jetzt finde ich es nur noch dämlich, dass sie ihr Leben so vergeuden. Haben die denn keine Ahnung, was mit meiner Schwester passiert ist?
Die Studenten, die Touristen, der Barkeeper. Jeder von ihnen hätte Meggie töten können, oder nicht? Vielleicht bin ich auf dem besten Weg, einen Hass auf alle Männer zu entwickeln. Wenn man schon einem so sanften Exemplar wie Tim nicht mehr trauen kann …
Mir läuft ein Schauder über den Rücken.
Ein paar Typen mustern mich und ich wende mich schnell ab. Sie sehen nicht schlecht aus – Meggie hat immer gewitzelt, sie wäre bloß nach Greenwich gegangen, weil dort am Tag der offenen Tür die süßesten Jungs rumliefen –, aber ich bin an diesem Leben einfach nicht interessiert. Ich will nur die perfekte Schönheit des Soul Beach.
Dann schüttele ich den Kopf, wie ein Hund, der Wasser ins Ohr bekommen hat. Das ist doch Wahnsinn. Soul Beach ist nicht real.
Und zum ersten Mal wird mir klar: Der Strand hat mich verändert, genau wie Meggies Tod es getan hat. Je mehr Zeit ich dort verbringe, desto schlimmer könnte es werden.
Nein! Auf keinen Fall. Ich kann den Strand nicht aufgeben und das nicht nur wegen Meggie. Im Moment ist er alles, was mich noch auf den Beinen hält.
Ich trinke mein Glas aus. Jetzt fühle ich mich schon etwas wacher, dank der Kohlensäure oder des Weins oder beidem. Zeit zu gehen. Wenn ich nicht sofort losziehe und Tim suche, verliere ich komplett die Nerven. Ich stelle das Glas ab, krame meinen Übersichtsplan hervor und suche nach dem schnellsten Weg durch die Flure.
Wenn er überhaupt noch hier wohnt.
Wie blöd bin ich eigentlich? Ich habe das alles überhaupt nicht gründlich durchdacht. Wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass er immer noch im selben Wohnheim lebt, nur zwei Stockwerke von dem Ort entfernt, wo Meggie gestorben ist? Nach allem, was passiert ist? Und wenn nicht, was soll ich dann machen? An Türen hämmern, bis ich ihn finde? Und wenn es mir schließlich gelingt, habe ich nichts, womit ich mich verteidigen kann, außer einer Tasche voller Schulbücher.
Wieder überläuft mich ein Schauder. Das ist doch verrückt. Ich sollte gar nicht hier sein.
Da legt sich eine Hand auf meine Schulter. »Alice Forster? Was zum Teufel machst du denn hier?«
34
Vor Schreck schieße ich etwa einen Meter in die Luft, bevor mir klar wird, dass diese tiefe, grollende Stimme einem Mädchen gehört.
Ich drehe mich um. »Sahara!«
»Hallo, Alice«, erwidert sie, die Stimme erstickt von Trauer. »Ach, Alice.«
Sahara breitet die muskulösen Arme aus und drückt mich viel zu fest an ihre Brust. Sie ist eine von diesen megasportlichen Amazonen; wir haben immer rumgewitzelt, dass sie später mal als Meggies Bodyguard arbeiten könnte.
Im Moment aber strahlt sie etwas so Bedürftiges aus, dass ich das Gefühl habe, sie zu trösten und nicht andersrum.
Schließlich lässt sie mich los und in ihren erstaunlich langen Wimpern glitzern Tränen. »Oh Gott, Alice, als ich dich gerade gesehen habe, dachte ich, mir wäre ein Geist erschienen.« Sie blinzelt und zwei Tränen rollen über den Damm aus Wimpern und rinnen ihre leicht aknevernarbten Wangen hinunter.
»Aber ich sehe doch gar nicht aus wie sie, Sahara.«
»Doch, tust du, im Ernst.« Sie mustert mich genauer. »Okay, vielleicht auch nicht. Kann auch daran gelegen haben, wie du gesessen hast. Und vor allem, wo du gesessen hast. Du weißt doch, dass das ihr Platz ist, oder?«
Der unheilvolle Ton in ihrer Stimme irritiert mich. »Das ist doch der Lieblingspub von jedem hier, oder etwa nicht?«
»Nein, ich meine den Platz, auf dem du sitzt. Diese Bank. Sie hat immer genau da gesessen und dann hat sie sich auch so vorgebeugt wie du.«
»Ach, wirklich? Wahrscheinlich haben wir zusammen hier gesessen, als ich sie besucht hab – reine Gewohnheit also.« Meine Haut fühlt sich an, als würden eine Million Ameisen darüberwandern, denn ich erinnere mich genau, dass es an dem Abend meines Besuchs geschüttet hat wie aus Eimern und wir uns deshalb drinnen hingesetzt und von dort aus die Raucher beobachtet haben.
»Du trinkst?«, fragt sie und beäugt mein Glas. »Du bist doch erst sechzehn.«
Ich schnalze
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