Soul Kitchen
Linsen, kuller-kuller, verfurzter Haufen. So, und zum dramatischen Abschluss unserer Reise die Karibik; da gibt es ganz ordentliches Essen, macht glücklich und fett, was die alles auf einmal in sich reinstopfen: süß, scharf, salzig und sauer, fettig, teigig, Fleisch, alles aus dem Meer, dazu Obst und Gemüse, heiß und kalt, weich und weicher. Und vergiss nicht den Rum, mit dem sie sich marinieren. Südamerikanerinnen sind nicht alle so schön, wie alle im Norden glauben, können aber alle genauso gut blasen, wie alle meinen – nur deshalb mach ich diesen Job, und deshalb haben wir panierte Garnelen mit scharfer, klebriger Chilisoße, dreistöckige Sandwiches mit noch schärferem Schweinefleisch, frittiertes Schweinefleisch und gepfefferten Fisch in halben Kokosnüssen. Da pocht die Eichel! Aber mein Herz schlägt im Magen deutsch, gerade weil ich mehr rumgekommen bin als Odysseus, der alte Rumtreiber. Unsere deutsche Karte wird rauf und runter bestellt, guck dir an, ob du das kochen kannst, so wie es meiner Oma geschmeckt hätte.
Zinos las:
FRÜHSTÜCK: Hamburger Rundstück, Pfifferlinge mit Spiegelei, Räucheraal mit Rührei, Strammer Max, MITTAGSKARTE: Matjes mit grünen Bohnen, Forelle Müllerin, Bratwurst in Bier. ABENDKARTE: Steckrüben mit Schweinebauch, Himmel und Erde mit gebratener Blutwurst, Gefüllte Kalbsbrust, Panierte Scholle mit Salzkartoffeln und Kopfsalat, Käsespätzle. SÜSSES: Birnen in Rotwein, Apfelschmarrn, Quittenkuchen, Pumpernickelpudding.
In der Küche lief Zinos in den ersten Tagen mit und hinterher, hackte einen Wald Petersilie, schnitt Brötchen immer schneller und schneller auf, schwenkte Pilze in riesigen Sieben in Mehl, rührte Eier mit einem Kochlöffel, der so groß war wie eine Straßenlaterne. Er wälzte Schweinefleisch in einem Ozean roher Eier, zog es durch einen Strand von Mehl und drückte es in einen Bottich Semmelbrösel, die er selber aus den verbliebenen Sonntagsbrötchen mit einer Reibe von der Größe eines Waschbretts gebröselt hatte. Er stellte Teller hintereinander auf, schnell und in einer Reihe, irgendwann begann er damit zu jonglieren. Er jonglierte gemeinsam mit den anderen Jungs, wenn Belmondo nicht da war, was ab und zu vorkam. Niemand wusste, was der Chef dann trieb, und keiner hätte gewagt, danach zu fragen. Zinos knetete Teig, der mehr wog als er selbst, schälte Kartoffeln, bis er hinter dem Berg verschwand, und er freundete sich mit Frühlingsrolle an, der Bao hieß und ein Vietnamese aus Deutschland war.
Sylvia tauchte nun ständig mit offenem, zerzaustem Haar an Christianos Bar auf und forderte ihn zu einem Gespräch auf. Wenn er sie ignorierte, betrank sie sich. Es war leicht, von Christiano einen Kabinenwechsel zu erpressen. Zinos drohte ihm, sonst dem Personalchef von der Sache zu berichten, am besten in Begleitung von Sylvia. Sie hätte sofort jedem erzählt, dass Christiano sie gebumst und abserviert hatte.
Bao konnte seinen Kabinenkollegen Jochen, den Kellner, auch nicht leiden. Jochen flüsterte manchmal im Schlaf Bedrohliches und gab jede Nacht einen schrillen Ton von sich, der in einem sekundenlangen Brüllen endete. Tagsüber sprach Jochen kein Wort mit den Kollegen, lächelte aber den ganzen Tag entrückt und blähte die Nasenflügel. Bao behauptete, er habe Jochen noch nie blinzeln sehen. Jochen wurde regelmäßig Kellner der Woche, die Gäste liebten ihn, Belmondo lobte ihn.
Christiano glaubte, er bekäme mit Jochen einen angenehm devoten Kabinennachbarn, und stimmte dem Tausch sofort zu.
Mit Bao spielte Zinos Karten, sie unterhielten sich, bis einer von ihnen einschlief, sogar von Bo und Vassiliki erzählte er Bao. Kathinka ließ er vorsichtshalber aus.
Das Leben an Bord hatte nichts mit Seefahrerromantik zu tun. Die meisten Passagiere liefen meist bis zum Abendessen in ihren Badesachen herum; es gab sonderbare Veranstaltungen wie ein Staffelschwimmen in dem kleinen Pool, Schaumpartys bei Nacht und Minigolfturniere, bei denen man nur als Familie antreten durfte. In seiner Mittagspause ging Zinos nun ab und zu aufs Sonnendeck und sah Jennifer bei der Arbeit zu, solange die Personalkontrolle nicht in der Nähe war. Wenn sie ihn sah, winkte sie ihm erfreut zu. Sie hüpfte zu alberner Musik zusammen mit Passagieren herum. Einmal kam sie rüber und fragte, ob er für einen Landausflug nach Adios, eine der schönsten Karibikinseln, frei bekäme. Belmondo gab ihm frei, da er mit Zinos’ Leistungen überaus zufrieden war. Jennifer
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