Soul Kitchen
bereitete, war, dass er auf dem immer gleichen Foto in den Zeitungen und Magazinen nicht gut genug aussah. Zinos nahm seinem Bruder den Stapel weg. Er hätte ihn gern bei einer guten Flasche Wein in einem weniger kargen Ambiente getroffen. Eine Frau streichelte ein paar Plätze weiter ihrem Typen ununterbrochen die Wange und knallte ihm dann eine.
»Ich glaub, ich werde lange unterwegs sein, Illias.«
»Das sagst du doch nur, weil du keinen Bock hast, mich zu besuchen. Versteh ich Bruder, is ja auch nicht schön hier, aber im Sommer schön kühl, nur dieser Scheißhall macht mich halb irre!!!«, brüllte er in den Raum.
Etwa einen Monat später saß Zinos mit gepackten Sachen an einem Fischimbiss am Hafen. Es war noch ein paar Stunden hin, bevor er sich an Bord zu melden hatte, aber der Typ, dem er seine Wohnung vermietet hatte, war viel zu früh erschienen. Zinos hatte schnell das Interesse an weiteren Gesprächen mit Tillman verloren. Er hatte Tillman, der fast zwei Meter groß war, einen Mokka gemacht und ein bisschen mit ihm geplaudert. Tillman war achtzehn, steckte spindeldürr in einem etwas zu großen Anzug mit roter Krawatte. Er war von seinen Eltern nach Hamburg zum Studieren geschickt worden. Jetzt verstand Zinos, warum Tillman am Telefon gleich der überhöhten Mietforderung zugestimmt hatte. Seine Eltern hatten darauf bestanden, er solle sich selber eine Wohnung suchen, denn sie würden die Miete nur zahlen, wenn er das schaffte. Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung, wie teuer Einzimmerwohnungen waren, und der genannte Preis war für sie Taschengeld. Tillman sollte sich die Hörner abstoßen. Zinos war verwundert, dass Tillman mit der kleinen Bude zufrieden war, seine Eltern hätten ihm sicher auch ein weitläufiges Loft finanziert. Tillman ging mit seinen riesigen Füßen auf und ab; er trug glänzende Lederschuhe, mindestens Größe siebenundvierzig. Zinos hatte aufgeräumt und geputzt, aber man sah der Wohnung ihre Jahre ohne Renovierung an. Tillman sah sich um und strahlte, dass seine geraden Zähne blitzten. Zinos garantierte, ein Jahr wegzubleiben, und klopfte seinem Untermieter zum Abschied auf die Schulter. Der strahlte noch immer, als Zinos schon auf der Treppe war. Kaum hatte Zinos unten die Tür geöffnet, brüllte Tillmann durch die Sprechanlage: »Noch mal alles Gute, vielen Dank und ahoi!«
Zinos war schon länger nicht mehr am Hafen gewesen; zum letzten Mal, als er sich an Silvester an den Landungsbrücken unter Touristen das Feuerwerk angesehen hatte. Als Kind war er häufig hier gewesen, mit seiner Mutter und Illias; sie waren mit dem Dampfer rüber nach Finkenwerder ins Schwimmbad gefahren. Es gab dann vor der Abfahrt immer eine Fischfrikadelle und eine Cola und danach ein Dolomiti-Eis.
Zinos aß seine vierte Fischfrikadelle und trank Cola, Dolomiti gab es leider nicht mehr. Er bat den Besitzer des Ladens direkt auf dem Ponton, die Toilette benutzen zu dürfen. Sein riesiger Reiserucksack passte kaum in das Kabuff. Als er zurückkam, saß ein dunkelhaariger Typ an seinem Tisch. Der Typ rauchte hektisch und hatte einen Haufen Blätter auf dem Tisch verteilt. An den drei anderen Tischen saßen ältere Damen und Familien. Zinos hatte keine Lust, sich irgendwo dazuzusetzen, also fragte er den Typen, der aussah wie ein Türke, ob er sich zu ihm setzen könne.
»Na klar, ey!, du siehst einem Freund von mir ähnlich.«
Zinos erinnerte sich, dass er vor Jahren mal verwechselt wurde.
»Heißt der zufällig Adam?«
»Ja, Mann, du siehst ihm echt ähnlich!«
Zinos setzte sich zu ihm, der Typ grinste ihn an:
»Ähm, ey!, schuldige, ich bin Fatih! Und wie heißt du?«
»Zinos Kazantsakis!«
»Das is ja n geiler Name, Kazantsakis hieß doch der Typ, der Alexis Sorbas geschrieben hat, Nikos Kazantsakis! Geiles Buch, geiler Film! Hast du den gesehen?«
»Ja, als Kind mit meinen Eltern, ein paar Mal, ich fand den Film traurig und schrecklich. Ich glaub, ich war noch zu klein, meine Mutter hat immer geheult.«
»Das ist kein Kinderfilm, das ist große Philosophie, Alter!«
»Ja, vielleicht muss ich den noch mal gucken, wenn ich wieder da bin.«
»Wo willst du denn hin, Zinos?!«
»Aufs Schiff, auf die Medusa. «
»Hört sich ja gruselig an! Was machst du denn da – Urlaub?«
»Nee, ich arbeite, ich bin Koch, na ja, ich kann kochen, nicht gut, aber für Touristen auf Kreuzfahrt reicht’s. Was machst du denn so?«
»Ich mach Filme.«
»Regie?«
»Bingo!«
»Ach, warte mal, dann
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