Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
Schreibtischstuhl plumpsen und klappte das Notebook wieder auf. „Ich habe im Internet recherchiert und …“
„Du hast über Hirntumore recherchiert? Jetzt gerade?“ Nash schwieg, ich hörte keine Schritte mehr. „Kaylee, ist es wegen Meredith?“
„Nein!“ Ich stieß mich so ungestüm von der Tischkante ab, dass ich mit dem Stuhl gegen das Bett knallte. „Ich bin kein Hypochonder! Ich versuche lediglich herauszufinden, was mit mirpassiert! Und ein Tumor ist das Einzige, was einigermaßen logisch klingt.“ Frustriert fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht. „Sie halten mich nicht für verrückt, also ist es nichts Psychisches.“ Ich konnte ihm gar nicht sagen, wie erleichtert ich darüber war. „Es muss etwas Körperliches sein.“
„Und du glaubst, es ist ein Hirntumor …“
„Was soll ich sonst glauben? Es gibt eine Art von Hirntumor, die gar keine Symptome verursacht. Vielleicht ist es ja das!“
„Warte mal …“ Ein Windstoß rauschte im Hörer. „Du glaubst also, du hast einen Hirntumor, weil du keine Symptome hast?“
Er hatte recht, das klang alles völlig hirnrissig. Ich schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Stuhllehne. „Vielleicht sind diese Vorahnungen ja das Symptom, eine Art Halluzination.“
Nash lachte. „Du hast keine Halluzinationen, Kaylee. Es sei denn, Emma und ich haben auch einen Hirntumor. Wir haben beide gesehen, wie du zwei Todesfälle vorausgesagt hast! Einen davon haben wir sogar miterlebt. Das hast du dir nicht eingebildet!“
Ich atmete erleichtert auf. „Ich hatte gehofft, dass du das sagst.“ Es tat gut – wenn auch nur ein kleines bisschen – zu wissen, dass ich zumindest bei klarem Verstand sterben würde.
„Dann bin ich ja froh.“ In seiner Stimme schwang ein Lächeln mit, und ich lächelte instinktiv auch.
Ich drehte mich mitsamt dem Stuhl herum und stellte die Füße auf den Nachttisch. „Vielleicht kommen die Vorahnungen wirklich von dem Tumor, weil er irgendeinen Teil meines Gehirns anregt, den die meisten Menschen gar nicht nutzen. So wie bei John Travolta in diesem alten Film.“
„Saturday Night Fever?“
„Nein, nicht so alt.“ Trotz des ernsten Themas musste ich lachen. Es war unglaublich, wie leicht Nash mich beruhigen konnte, sogar übers Telefon. Seine Stimme hypnotisierte mich, sie war wie eine Art akustisches Beruhigungsmittel. Daran konnte ich mich gewöhnen. „Ich meine den Film, in dem er kraft seiner Gedanken Gegenstände bewegen kann und Sprachen nurdadurch lernt, dass er ein einziges Buch liest. Und am Schluss kommt alles daher, dass er einen Gehirntumor hat und sterben wird.“
„Den habe ich wohl nicht gesehen.“
„Er entwickelt lauter abgefahrene Fähigkeiten, und dann stirbt er. Es ist wirklich tragisch. Ich will aber nicht tragisch sein, Nash, ich möchte leben!“ Auf einen Schlag kehrten die Tränen zurück. In den letzten Tagen war das Thema Tod allgegenwärtig geworden, auch bevor ich an meinen gedacht hatte.
„Du musst mir vertrauen, Kaylee.“ Ich hörte Nashs Schritte, dann fiel eine Tür ins Schloss. Das Rauschen des Windes war abgeschnitten. „Deine Vorahnungen kommen von keinem Gehirntumor. Egal, worüber deine Tante und dein Onkel gesprochen haben: Das haben sie nicht gemeint.“
„Woher weißt du das?“ Gereizt wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Normalerweise wurde ich nicht so schnell emotional. War das vielleicht noch ein Symptom des Tumors?
Nash seufzte, aber er klang nicht genervt, sondern besorgt. „Wir müssen reden. Ich hole dich in zehn Minuten ab.“
8. KAPITEL
Sieben Minuten später saß ich auf der Wohnzimmercouch, die Schlüssel in der Tasche, Handy im Schoß, und strich mit den Fingernägeln nervös über den Satinbezug. Ich hatte mich so hingesetzt, dass ich sowohl den Fernseher – die Abendnachrichten liefen ohne Ton –, als auch das Fenster im Blick hatte, und hoffte inständig, dass niemand bemerkte, dass ich Besuch erwartete. Mit niemand meinte ich Val und Brendon. Sophie schlief immer noch wie ein Stein. Langsam fragte ich mich, wie viele Tabletten meine Tante ihr gegeben hatte.
Val klapperte in der Küche lautstark mit Töpfen und Pfannen herum. Sie war dabei, Spaghetti zu kochen, ihre bevorzugte Nervennahrung. Da sie sich normalerweise nicht so viele Kohlenhydrate auf einmal gönnte, musste sie einen harten Tag gehabt haben. Einen sehr harten Tag, wenn man den Knoblauchgeruch in Betracht zog.
„Hey, Kay-Bärchen, wie geht’s dir?“
Mein Onkel
Weitere Kostenlose Bücher