Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
Ablenkung schaltete ich den Fernseher an, hörte jedoch nur mit halbem Ohr zu. Ich musste ständig an das Gespräch von Val und Brendon denken, analysierte jedes einzelne Wort und versuchte, mir einen Reim darauf zu machen. Was hielten sie geheim?
Ich war krank, so viel war klar. Was sollte sonst mit geliehener Zeit gemeint sein? Aber welche Krankheit verursachte Todesahnungen und führte über kurz oder lang zum Tod?
Frühzeitige Demenz schloss ich aus, nachdem ich die Medikamente offensichtlich nicht mehr brauchte.
Bei welcher Krankheit hielt man sich selbst für verrückt?
Ich achtete überhaupt nicht mehr auf den Fernseher und schaltete das Notebook an, das mir mein Vater letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte. Als es langsam hochfuhr, verspürte ich ein unangenehmes Kribbeln im Bauch, und das Unbehagen wurde stärker. Jetzt kam die Angst, auf die ich die ganze Zeit gewartet hatte, doch noch.
Ich werde sterben!
Die Vorstellung war so furchtbar, dass ich Panik bekam. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis der Rechner hochgefahren war, aber ich konnte nicht so lange still sitzen. Stattdessen stellte ich mich vor den Kleiderschrank und schaute vorsichtig in den Spiegel. Wenn ich wirklich den Löffel abgeben musste, würde ich es doch sehen. Bei den anderen sah ich es schließlich auch.
Doch der Anblick meines Spiegelbilds löste in mir nichts außer der üblichen Enttäuschung darüber aus, dass ich – im Gegensatz zu meiner Cousine – blasse Haut und ein absolutes Durchschnittsgesicht hatte.
Vielleicht funktionierte das Ganze bei Spiegelbildern nicht. Schließlich hatte ich keines der Mädchen je im Spiegel gesehen. Mit angehaltenem Atem wandte ich den Blick vom Spiegelund schaute an mir hinunter. Ich war mir nicht sicher, wovor ich mehr Angst hatte: dass ich den Drang verspüren würde, zu schreien, oder eben nicht.
Ich spürte rein gar nichts.
Hieß das etwa, dass ich nicht sterben musste? Oder dass meine unheimliche Gabe bei mir nicht funktionierte? Oder nur, dass der Tod noch einige Zeit auf sich warten ließ? Ahhh! Das ergab alles keinen Sinn!
Als das Notebook piepte, ließ ich mich auf den Schreibtischstuhl fallen und öffnete den Internet-Browser. Ich gab „häufigste Todesursache bei Teenagern“ in der Suchleiste ein und wartete mit klopfendem Herzen und einem Hauch krankhafter Vorfreude auf die Suchergebnisse.
Der erste Treffer listete die zehn häufigsten Todesursachen für Menschen im Alter zwischen fünfzehn und neunzehn Jahren auf. Auf den Top drei standen Unfallverletzung, Mord und Selbstmord. Ich hatte nicht vor, mein Leben zu beenden, und Unfälle konnte niemand vorhersagen. Genauso wenig wie Mord, es sei denn, meine Tante und mein Onkel wollten das höchstpersönlich erledigen.
Weiter unten auf der Liste fanden sich ein paar furchterregende Einträge wie zum Beispiel Herzkrankheiten, Atemwegs-Infekte und Diabetes. All diese Krankheiten verursachten jedoch eindeutige und vor allem unübersehbare Symptome.
Blieb nur die vierthäufigste Todesursache bei Menschen meines Alters: Malignom.
Das Wort musste ich nachschlagen.
Ich fand eine medizinische Fachseite, wurde aus dem wissenschaftlichen Gerede allerdings nicht so recht schlau. Unter dem Artikel stand jedoch eine für Laien verständliche Begriffserklärung. Malignom war ein Fachausdruck für Krebs.
Krebs .
Plötzlich schienen alle Hoffnungen, die ich je gehegt hatte, zu schwinden, all meine Träume zerplatzten.
Ich hatte einen Tumor. Was konnte es sonst sein? Es mussteein Gehirntumor sein, der meine Wahrnehmung beeinflusste. Deshalb wusste ich so viel. Oder glaubte es zu wissen.
Bedeutete das, dass meine Ahnungen nicht real waren? Handelte es sich tatsächlich um Wahnvorstellungen, hervorgerufen durch den Tumor? Um reine Sinnestäuschungen? Hatte ich mir vielleicht nach dem Tod von Heidi und Meredith eingeredet, dass ich es vorausgeahnt hatte?
Nein, das war unmöglich. Ich weigerte mich zu glauben, dass irgendeine Krankheit – außer vielleicht Alzheimer – stark genug war, um mein Gedächtnis zu überschreiben.
Panisch tippte ich „Symptome eines Gehirntumors“ in die Suchmaschine ein. Der erste Treffer war eine Onkologie-Site, auf der sieben Arten von Gehirntumoren und deren Hauptsymptome aufgelistet waren. Ich hatte keines davon. Weder Übelkeit noch Krampfanfälle oder Hörverlust. Keine Sprachstörungen oder motorischen Einschränkungen, kein Verlust der räumlichen Wahrnehmung. Mir war weder schwindlig,
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