Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
suchte nach der Wahrheit, auch wenn ich sie nicht verstand. „Was machst du mit mir?“
„Nichts. Jedenfalls nicht bewusst.“ Er drückte meine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. „Wir hören unsere wahren Stimmen, weil wir gleich sind. Ich bin ein Banshee, Kaylee. Genau wie meine Mom und mein Dad und mindestens eins deiner Elternteile. Genau wie du!“
So wie ich . War das möglich? Im ersten Moment wollte ich widersprechen. Den Kopf schütteln und die Augen zukneifen, bis dieser verrückte Traum endlich vorüber wäre. Andererseits – war es so viel schlimmer, ein Banshee zu sein, als von Todesahnungen heimgesucht zu werden?
Aber selbst wenn das alles wahr war, passte es nicht zusammen …
„In der Mythologie gibt es keine männlichen Banshees.“ „Ich weiß.“ Nash senkte den Blick und ließ meine Hand los, um die Arme vor der Brust zu verschränken. „Aber die Geschichten stammen von Menschen und von dem, was sie über uns wissen. Anscheinend kennen sie nur die Frauen. Ihr Mädels seid ja kaum zu überhören mit eurem Schreien und Wehklagen.“
„Ha, ha!“ Ich holte aus, um ihn zu boxen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. Verteidigte ich etwa gerade – wenn auch spaßeshalber – eine Spezies, zu der ich nicht gehörte, ja an die ich nicht einmal glaubte?
In dem Moment traf es mich, begann ich zu verstehen.
Zugegeben, es klang verrückt, aber es fühlte sich richtig an. Bruchstücke der Geschichte ergaben sogar einen Sinn, wenn auch auf eine eher intuitive als logische Art.
Mein Hals fühlte sich geschwollen an, und Tränen der Erleichterung brannten mir in den Augen. Es war besser, kein Mensch zu sein, als verrückt zu sein. Und tausend Mal besser, als sterbenskrank zu sein! Aber am wichtigsten war, Antworten zu finden, selbst wenn es gruselige Antworten waren. Alles war besser, als nichts zu wissen und an mir zu zweifeln.
„Ich bin eine Banshee?“ Bevor ich es hätte verhindern können, liefen mir die Tränen übers Gesicht, und ich wischte sie mit dem Ärmel weg. Nash nickte feierlich, und ich wiederholte es noch einmal, um mich mit dem Gedanken anzufreunden. „Ich bin eine Banshee.“
Als ich es laut aussprach, wurde es zur Gewissheit, und die Enge in meiner Brust löste sich endlich. Ich atmete tief auf und ließ mich in den Sitz sinken. Eine Spannung, die ich vorher nicht einmal bemerkt hatte, fiel von mir ab. Wie betäubt starrte ich durch die Windschutzscheibe, ohne den Sonnenuntergangrichtig wahrzunehmen.
Nash hatte mir eine Antwort gegeben, aber er hatte auch eine Menge neuer Fragen aufgeworfen. Ich brauchte noch mehr Informationen.
„Warum weiß niemand etwas über männliche Banshees? Und wenn du ein Mann bist, müsstest du dann nicht anders heißen? Das ‚Bean‘ in Bean Sidhe bedeutet doch ‚Frau‘.“
Nash griff nach seiner Dose, und ich sah an seinem Arm die Muskeln spielen. „Leider kommt der Begriff von Menschen, die nicht wussten, dass es auch männliche Banshees gibt. Liegt wohl daran, dass wir nicht wehklagen. Wir haben keine Vorahnungen.“
Ich runzelte die Stirn. „Was macht dich dann zum Banshee? Ich meine, worin unterscheidest du dich von … Menschen?“ Auch wenn ich meine neue Identität langsam zu akzeptieren begann, fühlte es sich komisch an, mich als nicht menschlich zu sehen.
Nash lehnte sich an die Fahrertür und trank einen großen Schluck, ehe er antwortete: „Wir haben andere Fähigkeiten. Aber das wirst du nicht verstehen, bevor du weißt, was du alles kannst.“
Verständnislos schüttelte ich den Kopf. „Ich denke, ich bin eine Todesbotin?“
„Das ist, was du bist, nicht was du kannst. Zumindest ist es nicht alles, was du kannst.“
9. KAPITEL
Ich winkelte die Beine so an, dass ich nicht gegen den Schalthebel stieß, und lehnte mich vor. Meine Neugier war größer, als ich zugeben wollte, und ich konnte es kaum erwarten, den Rest der Geschichte zu hören. Doch Nash warf einen Blick aus dem Seitenfenster und sagte: „Meine Beine sind schon ganz steif. Lass uns ein Stück spazieren gehen.“ Dann stieß er die Tür auf und sprang aus dem Auto, ohne meine Antwort abzuwarten.
„Wie bitte?“ Ich lehnte mich quer über den Sitz und warf ihm durch die offene Fahrertür einen skeptischen Blick zu. Nash hatte die Arme über den Kopf gestreckt und dehnte sich. Dabei ließ er unbewusst seine Muskeln spielen. „Machst du es etwa extraspannend für mich?“
„Nein, ich will mich nur bewegen.“ Nachdem ich genervt
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