Soul Screamers 1 - Mit ganzer Seele
Schläfen, und der Kiefer tat höllisch weh, der Klagelaut in meiner Kehle wurde zunehmend lauter. Einige der Umstehenden starrten mich irritiert an, bis Nash mich in den Arm nahm und meinen Kopf an seine Schulter bettete, so als wolle er mich trösten. Was er, zumindest ansatzweise, ja auch tat.
„Nein, Kaylee!“, flüsterte er dicht an meinem Haar, aber diesmal reichten seine Kräfte nicht aus. Der Drang, die Totenklage anzustimmen, wurde stärker, je näher der Tod rückte. Vage realisierte ich, dass Emma uns aus ihrer dichten Schattenhülle heraus anstarrte. „Kümmere dich nicht um sie!“, flüsterte Nash.
Sah er die Gestalten etwa auch? Das beantwortete zumindest eine meiner Fragen …
„Konzentriere dich darauf, es zurückzuhalten. Deine Totenklage überbrückt die Kluft, aber ich glaube nicht, dass sie uns schon sehen können. Das wird sich ändern, wenn du singst, aber denk immer daran: Egal, wie es zu sein scheint, sie sind nicht wirklich hier!“
Kluft? Zwischen was, etwa zwischen unserer Welt und dem Jenseits? Das war nicht gut, gar nicht gut.
Ich löste mich aus Nashs Umarmung und suchte in seinem Gesicht nach den Antworten auf meine Fragen, doch ich fand keine.
Na schön. Ich würde es schon schaffen, diesen unheimlichen grauen Schleier über der Wirklichkeit zu ignorieren. Aber was war mit dem Reaper? Emma durfte nicht umsonst sterben, auch wenn es nur vorübergehend war!
Ich sah Emma demonstrativ an und zuckte übertrieben auffällig mit den Schultern. Ihr angsterfüllter Gesichtsausdruck brach mir schier das Herz, und ich würgte einmal mehr den Schrei hinunter, der jede Sekunde loszubrechen drohte.
Auf wundersame Weise begriff Nash, was ich ihm sagen wollte.
„Du kannst ihn erst sehen, wenn er gesehen werden will“, ermahnte er mich sanft und stimmte ein beruhigendes Murmeln an. Die Worte und der hypnotische, seidenweiche Klang seiner Stimme ließen die Panik ein wenig abklingen. Ich verspürte keine echte Erleichterung, schaffte es mit seiner Hilfe aber, den Schrei noch ein paar Sekunden länger zurückzuhalten. „Ich wette, dass er nicht gesehen werden will. Du musst warten. Halt es noch ein bisschen zurück!“
„Was?“, fragte Emma und drückte aufgeregt meine Hand. „Wen kannst du nicht sehen? Wo …“
Dann, mitten im Satz, brach sie zusammen.
Noch während Emma meine Hand hielt, knickten die Beine unter ihr weg, und sie schlug im Fallen mit dem Kopf gegen den Schüler hinter ihr. Der Junge stolperte und stürzte beinah zu Boden. Ich wurde mit Emma nach vorne gerissen, verlor Nashs Hand und schlug mit den Knien so hart auf dem Boden auf, dass es mir im ganzen Körper wehtat. Tränen strömten mir über das Gesicht, als ich Emma neben mir liegen sah. Ihre Augen, die Fenster zur Seele, waren weit aufgerissen, doch der Blick ging ins Leere.
„Kaylee!“ Nash ließ sich neben Emma auf den Boden fallen und sah mich flehentlich an, und immer mehr Leute starrten mit offenen Mündern zu uns herunter.
Ich hörte ihn kaum, bemerkte weder die Dunkelheit noch die seltsamen Gestalten, die am Rande meines Blickfelds herumkrochen. Alles, woran ich denken konnte, war Emma, die reglos vor mir lag und aus gebrochenen Augen an die Decke starrte, so als könne sie geradewegs hindurchsehen.
„Lass es raus, Kaylee! Sing für Emma! Ruf ihre Seele, damit ich sie sehen kann. Halte sie fest, solange du kannst!“
Ich blickte auf Emma hinab, die selbst im Tod noch wunderschön aussah. Ihre Hand war noch warm, und das Haar, das über ihre Schultern fiel, kitzelte mich am Arm. Ich legte den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund.
Und ich entfesselte den Schrei.
Das grässliche Heulen floss mir in einem Strom verzerrter, rauer Töne aus der Kehle, scheuerte mir den Hals wund und ließ mich völlig leer zurück, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Es tat schrecklich weh! Doch noch größer als der Schmerz war die Erleichterung darüber, dass ich dieses schauerliche Geheul nicht länger in mir tragen musste, diesen schrecklichen Schmerz darüber, meine beste Freundin verloren zu haben. Die Cousine, die ich mir immer gewünscht hatte, meine Vertraute, und für mich oft genug die Stimme der Vernunft.
Es wurde schlagartig totenstill in der Turnhalle. Die Menschen blieben wie angewurzelt stehen und starrten uns an, viele von ihnen pressten sich die Hände auf die Ohren und verzogen schmerzerfüllt das Gesicht. Ich sah noch eine Frau schreien – sie hatte den Mund weit aufgerissenen, schaffte es
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