Soul Screamers: Sophie (German Edition)
suchen als nur Iris, Pupillen und kleine rote Äderchen.
„Was ist los? Blute ich?“ Ich tastete mit den Fingern der freien Hand meine Nase ab und schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie von dem Zusammenstoß mit der Tür nicht angeschwollen war. Was typisch für mein Pech gewesen wäre. Ein superhübscher Typ haut mich buchstäblich aus den Latschen, und dann stellt sich heraus, dass er nicht aufhören kann, mich anzustarren, weil ich aussehe wie der Verlierer eines Boxkampfs.
„Nein, ich dachte nur, ich spüre … ach, nichts, egal.“ Dann blinzelte er und zog mich endlich hoch. „Kein offensichtlicher Schaden. Tatsächlich siehst du sogar verdammt gut aus für jemanden, der gerade eine Tür ins Gesicht bekommen hat.“
Ich hielt noch kurz seine Hand fest, dann löste ich mich widerwillig aus seinem Griff.
„Was ist denn das hier?“ Er bückte sich, um ein Paillettentop hochzuheben, das aus dem Karton gefallen war und zur Hälfte aus der Plastikverpackung gerutscht war. Er hielt es vor mich und versuchte ganz offensichtlich, sich vorzustellen, wie ich in dem knappen, engen Trägertop aussehen würde.
„Ein Trikot. Ich tanze.“
„Hätte ich mir denken können, so grazil, wie du auf den Boden geknallt bist.“ Sein freches Grinsen wurde breiter. „Und du trägst das hier echt?“
„Ja. Also, bisher noch nicht, aber ich werde es tragen.“
„Und du tanzt da drin rum? Vor Leuten?“
„Ich tanze nicht ‚rum‘, ich performe. Es ist ein Sport. Für den man eine Menge Disziplin, Training und Durchhaltevermögen braucht.“
„Klingt fast so wie Football. Und da dachte ich, beim Tanzen geht es um Anmut und Schönheit und darum, seine Gefühle durch Bewegung auszudrücken.“
Als ich überrascht blinzelte, lachte er auf. „Das steht da seitlich auf dem Karton.“
Ich spähte zu dem Karton auf dem Boden. Unter dem Herstellerlabel war in hübsch geschwungener Schrift die Tanzdefinition aufgedruckt, die er gerade zitiert hatte.
„Also, was ist Tanzen denn nun?“ Er hob herausfordernd die Augenbrauen und beobachtete mich lächelnd. „Sport oder Kunst?“
„Beides. Es ist eine athletische Kunstform.“ Wobei Tanzen auf Highschool-Wettbewerbsniveau nicht selten an choreografiertes Herumgehüpfe zu Musik vom Band erinnerte. „Man muss absolute Kontrolle über seinen Körper haben, damit er genau das sagt, was man ausdrücken will.“
„Dann willst du also sagen, dass du das hier“, er hielt das Top an einem Träger hoch, und zum ersten Mal fiel mir auf, aus wie wenig Stoff es wirklich bestand, „trägst, während du mit deinem extrem kontrollierten Körper Dinge ausdrückst? Und dass du eine Menge Durchhaltevermögen hast?“ Er hob anzüglich die Augenbrauen. „Ich glaube, ich mag diese Schule hier jetzt schon.“ Dann hielt er mir seine rechte Hand hin. „Hatte ich schon erwähnt, dass ich Luca Tedesco heiße?“
Ich gab ihm kurz die Hand und stellte zu spät fest, dass sein Lächeln ansteckend war. „Du bist neu hier?“, fragte ich und nahm ihm das Top weg.
„Nächste Woche ist mein erster Tag.“
„Zwölfte?“ Er war groß. Mit breiten Schultern. Es war durchaus möglich, dass er sich schon im letzten Jahr befand.
„Elfte. Und du?“
„Zehnte. Aber nur noch die nächsten Monate.“ Dann fingen die Sommerferien an, und bei meiner Rückkehr würde ich der erste Captain des Eastlake-Tanzteams aller Zeiten werden, der noch in die Elfte ging. „Und was hast du da drin gemacht?“, fragte ich und blickte an der Tür vorbei, die mich gerade fast das Leben gekostet hätte, in das leere Geschichtsklassenzimmer, das dahinter lag.
„Ich war auf der Suche nach ein bisschen Nervenkitzel.“
„Und, war deine Suche erfolgreich?“
„Am Ende schon.“ Wieder sah er mir direkt in die Augen, und wieder fragte ich mich, wonach er wohl suchte. „Ich hab ein schlechtes Gewissen, weil ich dich fast mit einer Tür umgebracht hätte. Darf ich es wiedergutmachen? Ich könnte diesen Karton voller Extremsportbekleidung für dich tragen … wohin auch immer du ihn gerade bringen wolltest …“
„Nein, danke, das passt schon.“ Als ob ich den hübschen Neuen auch nur ansatzweise in Peytons Sichtfeld lassen würde, ehe ich mein Territorium gründlich markiert hatte.
„Da ich schuld bin an dieser Beule …“, er strich mir das Haar aus der Stirn, und ich zuckte zusammen, als er mit seinen Fingern sanft die Stelle direkt über meiner Schläfe berührte, „… denke ich, dass ich für
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