Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
„Die zehnte Opferung wird die Vollendung des Rituals sein.“
„Du sprichst von Ehre“, sagte Riley mit einem angewiderten Kopfschütteln. „Du hast doch gar keine Ahnung, was Ehre ist! Was ist ehrbar daran, einem Freund ein Messer in die Brust zu jagen?“
„Oder danach auf dessen Beerdigung zu erscheinen“, ergänzte Elizabeth. „Umgeben von trauernden Angehörigen. Wie war das? In die Augen von Leuten zu sehen, die einen geliebten Menschen verloren haben und zu wissen, dass man für deren Leid verantwortlich ist?“
„Ich sagte, es ist eine Ehre, als Kalis Arm erwählt zu werden“, stellte Simon richtig, ohne sich zu Riley umzudrehen.
„Auserwählt zu sein, steigt einem dann wohl zu Kopf und schaltet erst den freien Willen und dann das eigenständige Denken aus!“, gab Riley scharf zurück.
Simon quittierte das mit einem resignierten Seufzen und richtete sich wieder an Elizabeth. „Das Blut treuer Freunde zu opfern ist ein essenzieller Teil des Rituals, aber es ist auch eine Prüfung. Man muss beweisen, wie stark der Wille ist, wie weit man bereit ist, zu gehen. Dazu gehört es auch, an der Beerdigung teilzunehmen und sich somit den Konsequenzen seiner Tat zu stellen. In gewisser Weise müssen alle Brüder einen solchen Test bestehen, doch geht es bei ihnen nicht so weit, dass sie töten müssen. Sie müssen nur einer nahestehenden Person Schaden zufügen.“
„Nur!“, hörte Elizabeth Susan schnauben. Sie war noch keinen Schritt näher herangekommen. „Ich frage mich, was für Versprechungen notwendig sind, damit ein junger Mensch bereit ist, so etwas zu tun.“
„Was weißt du schon davon, wie es ist keine Zukunft zu haben!“, fuhr Simon sie ungehalten an. „Wenn dir alle Welt einredet, wertlos zu sein und du für Lehrer praktisch unsichtbar bist, weil man dich nicht nach deinen Leistungen, sondern nach deiner Herkunft beurteilt. Wenn es ständig heißt, deine Eltern sind asoziale Trinker, aus dir wird sowieso nie was. Wenn schon im Vorschulalter die Eltern deiner Freunde sagen, gib dich bloß nicht mit dem ab, der hat einen schlechten Einfluss. Das ist wie ein Stigma, das bekommst du nie los und irgendwann glaubst du selbst, du wärst wertlos und strengst dich erst gar nicht mehr an.“
„Ach, hör bitte auf, hier das Opfer zu spielen“, wehrte Susan ungerührt ab. „Es gibt durchaus engagierte Lehrer, die genau solche Fälle herausfischen und gezielt fördern.“
„Oh ja, die gibt es ganz bestimmt. Vereinzelt“, gab Simon schroff zurück. „Nur leider nicht an meiner alten Schule. Dort haben die Lehrer keinen Finger gerührt.“
„Aber es gab jemanden, der dich nicht abgeschrieben hat“, bemerkte Elizabeth. Die Anklage, die in ihren Worten mitschwang, war nicht zu überhören. „Danny hat an dich geglaubt.“
„Ja“, gab Simon zu. „Das hat er. Deshalb hat er mich Hamilton vorgestellt. Und sobald Hamilton von deinem Potenzial überzeugt ist, erzählt er dir, dass du in deinem Leben alles erreichen kannst, dass dir die Zukunft weit offen steht. Dass deine Herkunft eben nicht über dein Schicksal entscheidet. Er bringt dich mit anderen zusammen, die aus ähnlichen Verhältnissen stammen und es geschafft haben und die dich sofort als einen der ihren akzeptieren. Das erste Mal in deinem Leben fühlst du dich verstanden und unter deinesgleichen. Es gibt keine Vorurteile. Deine Leistungen werden anerkannt und honoriert. Und alles, was neben uneingeschränktem Leistungswillen von dir verlangt wird, ist bedingungslose Loyalität und Hingabe gegenüber der Bruderschaft und gegenüber Kali. Und plötzlich merkst du, wie sich deine Perspektive verändert.
Die Gesellschaft ist dir etwas schuldig! Wer sind schon die Leute außerhalb der Bruderschaft, was zählen die schon? Sie stehen dir und deinen Brüdern höchstens im Weg. Ihnen Schaden zuzufügen oder … oder sie sogar zu töten, für die Ziele der Bruderschaft, für Kali, das ist … naja, vertretbar. Es ist eben der Preis, der gezahlt werden muss.“
„Und der Preis für deine aussichtsreiche Zukunft war Dannys Leben“, stellte Elizabeth leise fest.
„Sozusagen, ja“, flüsterte Simon.
Nach einem kurzen Moment der Stille stellte Elizabeth ihre nächste drängende Frage. „Warum habt ihr mich am Leben gelassen? Wäre es nicht am Einfachsten gewesen, mich schon bei dem Angriff auf Danny aus dem Weg zu räumen? Oder als du und deine Kameraden mich in Soho überfallen und den Anhänger gestohlen habt?“ Unbewusst rieb
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