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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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Damit wir es besser verstanden? Ein Mal für jeden Sohn? Meine Onkel versuchten, ihr deutlich zu machen, dass es nur zu ihrem Besten sei, worauf sie entgegnete, wenn sie sich schon solche Sorgen um sie machten, bräuchten sie ja einfach nur auf sie zu hören. Ich merkte, sie investierte viel in diese Auseinandersetzung, ihre Kräfte schwanden, und hier und da war sie sich ihrer Argumente selbst nicht mehr sicher. Vor allem, wenn die Rede auf den Sturz kam. Was, wenn so etwas noch einmal passierte? Na gut, dann würde sie eben sterben. Das war ihre Antwort. Ich sterbe lieber daheim, ich sterbe lieber daheim, ich sterbe lieber daheim. Ihre Kinder überlegten eine Weile, ob sie einen Rückzieher machen sollten, doch wenn man der Lage nüchtern ins Auge blickte, war klar, dass es keine andere Lösung gab. Es ging nicht nur ums Hinfallen. Es ging auch ums Einkaufen und ums Geld, das man zum Einkaufen brauchte. Sie würde das alles nicht mehr schaffen. Sie konnte doch kein Geld am Geldautomaten abheben, zu riskant, es gab so viele Überfälle; und das Wasser und die Milch, die konnte sie nicht mehr tragen. Die Möglichkeit, sich die Aufgaben zu teilen, bestand durchaus. Doch letztlich wäre alles an meinem Vater hängen geblieben. Denn während der eine Bruder häufig auf Geschäftsreisen war, verbrachte der andere seinen Ruhestand im warmen Süden. Die Situation war ausweglos.
     
    Dann kam Bewegung in die Sache. Nicht dass etwas Spektakuläres passierte oder jemand zu einem Entschluss kam, meine Großmutter nahm lediglich ein klitzekleines Zeichenin der Miene ihrer Söhne wahr. Sie gab nach, als sie die Panik in den Blicken ihrer Kinder erkannte. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie nicht mehr Mutter, sondern eine Last war. Ist man dann wirklich alt, wenn man diese Demarkationslinie überschreitet? Wenn man zum Problemfall wird? Es war unerträglich für sie, die ein freies Leben geführt hatte, auf niemanden angewiesen gewesen war. Um die Sache abzukürzen, hatte sie also «einverstanden» gehaucht. Vielleicht hatte sie sich auch einfach der vorherrschenden Meinung angeschlossen, denn sie hielt ihre Söhne für keine Unmenschen, sie wusste, dass in ihren Worten ein Fünkchen Wahrheit lag und ihre Hartnäckigkeit zum Teil gerechtfertigt war. Ich glaube, sie hätte es nur lieber gehabt, wenn der Vorschlag von ihr gekommen wäre. Sie hätte gern noch ein bisschen bestimmen wollen über ihr eigenes Leben, doch dazu war es zu spät. Zwischen Wollen und tatsächlichem Zustand war eine Kluft entstanden. Und genau das, das mit Entsetzen gepaarte Unbehagen darüber, hatte sie in den Blicken ihrer Söhne gelesen, die sie dahin gebracht hatten, sich die Realität bewusst zu machen. Nur diese Blicke hatten sie veranlasst, «einverstanden» zu sagen. Doch «einverstanden», das hatte sie nur einmal gesagt.
     
    Am Umzugstag seiner Mutter parkte mein Vater in dem kleinen Garten vor dem Haus. Ich war auch dabei. Wir klingelten, sie öffnete uns die Tür, sagte aber nicht Guten Tag, sondern bloß: «Ich bin fertig.» Wir sahen allerdings nur einen Koffer, der auch noch winzig klein war. Dieser Koffer war lächerlich, rührselig. Die Karikatur eines Koffers.
     
    «Ist das alles, was du mitnimmst?», fragte mein Vater.
    «Ja.»
    «Willst du … nicht wenigstens ein paar Bücher mitnehmen? … Ich bin mit dem Auto da …»
    «…»
    «Gut, dann fahren wir jetzt.»
    Ich packte den Koffer und konstatierte, dass er federleicht war. Sie wollte ihre Sachen daheim lassen. Womöglich war das eine Art, weiter zu Hause zu leben. Dieser leere Koffer barg die Last all ihrer Worte. Mein Vater brachte ihr in den darauf folgenden Tagen trotzdem so gut wie all ihre Kleider. Auf dem Treppenabsatz fragte meine Großmutter:
    «Versprichst du mir, dass du die Wohnung nicht verkaufst?»
    «Ja, verspreche ich.»
    «Ich möchte wiederkommen können, wenn mir das nicht gefällt.»
    «Ist in Ordnung, einverstanden.»
    Mein Vater war in der Lage, zu allem Ja zu sagen, wozu er in Gedanken Nein sagte. Aber ich muss zugeben, er hat an jenem Tag richtig Eindruck auf mich gemacht. Er gab nämlich alles, um sich nichts anmerken zu lassen. Um seine innere Unruhe zu verbergen. Wie eine Stewardess, die inmitten grauenhafter Turbulenzen einfach weiterlächelt und heiße Getränke serviert, als ob gar nichts wäre. Sein Gebaren lockerte die Atmosphäre auf. Wir drohten, in einem Gebirge abzustürzen, und er legte seiner Mutter lächelnd nahe, ihren Gurt festzuziehen. Im

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