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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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Disziplin herrschte. Sie sagte auch, warum sie die Schule so früh abbrechen musste. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die Kinder verglichen die Vergangenheit wohl insgeheim mit einem Horrorfilm. Ein Junge sagte einen Satz, den ich fabelhaft fand: «Ich bin froh, dass ich in der heutigen Zeit lebe.» Gegen Ende forderte Louise die Schüler auf, für meine Großmutter etwas zu malen. Sie bekam Dankesbilder mit Herzen in allen Farben. Ich habe sie noch, die Beweisstücke dieses einzigartigen Tages. Es klingelte. Die Schüler stürmten ins Freie, es entstand das gleiche Gewühl wie zur Mittagspause, eine genau einstudierte Choreografie. Ein paar umringten immer noch ihrenbesonderen Gast, wollten ihm die Hand halten, drängelten und schubsten dabei ein wenig. Louise wies sie zurecht, sie sollten ein bisschen besser aufpassen. Meine Großmutter lächelte mir zu, aber ich spürte, wie sich dabei ihre Gesichtsmuskeln verkrampften. Ich fand, sie sah erschöpft aus. Nach diesem Tag hatte sie auch allen Grund, erschöpft zu sein.
    «Ich glaube, es ist besser, wenn wir mal fahren», meinte ich.
    «Ja … ja klar», sagte Louise und machte Anstalten, meine Großmutter zu umarmen. Doch als sie sah, wie bleich diese plötzlich war, war sie richtig beunruhigt:
    «Na? Fühlen Sie sich nicht wohl?»
    «Doch … doch, geht schon.»
    «Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen?»
    «Nein … wir fahren ja jetzt ins Hotel. Geht schon. Vielen Dank noch mal, Sie sind wirklich sehr liebenswürdig.»
    «Wir sind diejenigen, die zu danken haben. Das war ein wunderschöner Tag. Den werden die Schüler bestimmt nie vergessen, da bin ich mir sicher. Das wird eine tolle Erinnerung für sie sein.»
     
    Im Auto stellte ich ihr ein paar Fragen, aber sie brachte keinen Ton über die Lippen. Dieses Unternehmen hatte viel Kraft gekostet, nun waren alle Reserven aufgebraucht. Im Hotel versuchte ich ihr zu helfen, die Treppen hochzusteigen, aber es ging nicht. Ich weiß nicht, wieso ich mir nicht eingestehen wollte, wie bedrohlich die Situation war, wo sie doch schon seit Minuten vollkommen weggetreten war. Der Hotelpatron kam herbei, um zu sehen, was los war.
    «Geht es ihr nicht gut?»
    «Nein, ich glaube, es geht ihr überhaupt nicht gut.»
    «O ja, in der Tat … warten Sie, ich hole ihr eine Decke.»
    Er kam wieder, und wir legten meine Großmutter in dem kleinen Vorraum nieder. Ich stützte ihren Kopf mit einem Kissen. Einen Moment lang kniete ich vor ihr und schaute sie an, wie gelähmt vom ungestümen Umschwung der Ereignisse, bevor ich ans Telefon stürzte, um Hilfe zu rufen.

46
Erinnerungen des Patrons vom Hôtel des Falaises
    Diese kleine alte Frau, die sich in seinem Hotel einquartiert hatte und alles in bar bezahlte, würde ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Brannte man in dem Alter noch durch? Später war noch ein junger Mann zu ihr gestoßen, anscheinend ihr Enkelsohn. Eine wirklich bizarre Geschichte war das. Und dann hatte sie in seinem Vorraum einen Schwächeanfall erlitten. Sie hatten den Rettungsdienst gerufen, und die alte Frau war ins Universitätsklinikum von Le Havre gebracht worden. Er hatte nie wieder von ihr gehört. Da sie keinen einzigen Scheck ausgestellt hatte, wusste er nicht einmal ihren Namen. Daher konnte er ihr auch die paar Sachen nicht wiedergeben, die sie in ihrem Zimmer zurückgelassenhatte. Vor allem diese kleine rote Spieluhr. Er stellte sie auf eine Ecke seines Schreibtischs, und jedes Mal, wenn er sie ansah, dachte er an die alte Frau. Er fing an, diese Spieluhr, die im Übrigen gar nicht funktionierte, mehr und mehr zu mögen. Sie besaß einen seltsamen Charme. Doch eines Tages stellte das Zimmermädchen fest, dass sie überhaupt keinen Ton von sich gab und warf das ramponierte Ding in den Müll.

47
    Im Krankenwagen nach Le Havre hielt ich meiner Großmutter die Hand. Sie war an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Die Lage war ernst, um nicht zu sagen sehr ernst. Ich hatte meinen Vater noch gar nicht benachrichtigt. Wenn ich mir diese Szene ins Gedächtnis rufe, muss ich daran denken, wie zerbrechlich Glück doch ist. Wenige Stunden zuvor war sie noch so beschwingt gewesen. Vorne saßen zwei Rettungssanitäter. Ich schnappte zufällig ein paar Brocken ihrer Unterhaltung auf. Es ging um die Autobahngebühr, die kürzlich erhöht worden war.
    «Diese Arschlöcher. Hauptsache, sie machen Profit mit ihrer Scheißautobahn.»
    «Die scheren sich einen Dreck um die Leute. Kohle scheffeln, wo’s nur

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