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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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betrachtete sie. Wollte den Augenblick unserer Zusammenkunft noch hinauszögern. Ihr Anblick bewegte mich tief. Sie sah so schön aus. Ich glaube, sie hatte alles, was ich mochte. Oder: Ich lernte, alles an ihr zu mögen. Ich bin mir nicht sicher.Sie öffnete die Augen und schaute mich ernst an. Da glitt ich unter das Laken und drückte mich an sie. Es war die Erschaffung der Welt.

52
Erinnerungen an meinen ersten Kuss mit Louise
    Der Beginn einer Liebe ist der Stoff, aus dem die intensivsten Erinnerungen sind. Ich könnte jeden einzelnen unserer ersten Küsse genau beschreiben. Durch die Wiederholung und die Gewöhnung an das Entzücken beginnen die Erinnerungen an die einzelnen Küsse sich allmählich zu vermischen und formen sich schließlich zu einem Ganzen, in dem den Einzelküssen die Würze des Besonderen abhandenkommt. Die Konturen verschwimmen, die Küsse repräsentieren dann einen längeren Zeitraum.
     
    Ich habe oft an diesen ersten Kuss auf dem Friedhof gedacht. Eine Weile verhielten wir uns artig und gaben uns zärtliche Bussis. Unsere Zungen lauerten im Hintergrund. Anschließend griffen unsere Lippen ins Geschehen ein, unsere Zungenspitzen berührten sich, bis unsere Zungen schließlich übereinanderlagen.[ ∗ ] Doch die leichte Berührung ihrer Zungenspitze hinterließ in meiner Erinnerungtiefere Spuren als die Begegnung mit ihrem Körper, den ich später im rohen Sexrausch in allen erdenklichen Stellungen kennenlernen sollte. Ich finde, es ist ein Wahnsinn, wie die Erinnerung an einen wahrhaft schönen Liebesakt im Vergleich zu den ursprünglichen Gefühlen verblassen kann. So habe ich mir manchmal, als ich Louise in der Folge etwas mechanisch küsste, diesen ersten Kuss ins Gedächtnis gerufen. Und ich betrachtete ihn nicht als Relikt, sondern als geheimen Ort, an den ich mich flüchten konnte, wo ich vor Überdruss geschützt war.
    ∗ Wenn man sich an etwas nicht erinnern kann, spricht man ja auch davon, dass es einem auf der Zunge liegt.

53
    Ich konnte keinen anderen Gedanken mehr fassen. Das Glück nahm mich in einer Art Totalitarismus des Augenblicks gefangen. Ich lernte diesen leicht dumpfen Zustand kennen, der mir bei anderen immer lächerlich vorgekommen war. Mein Herz schlug mit ungeahnter Wucht, und das war mitunter schmerzhaft. Je mehr ich mich in diese Sache verstrickte, desto größer wurde meine Angst. Ich hatte Angst vor dem Glücklichsein, Angst, den Dingen nicht gewachsen zu sein, Angst, nicht zu wissen, wie ich mich anstellen sollte. Die Liebe schien mir letzten Endes eine verwickelte Geschichte zu sein. Besorgt ließ ich meine Zunge im Mund kreisen, bevor ich zu sprechen anhob; wo meine Zunge doch in Louises Mund hätte kreisen sollen. All das war unterschwellig, doch ich erinnere mich an die Tage, an denen ichAngst hatte, nicht auf der Höhe unseres offensichtlichen Glücks zu sein. Manchmal wünschte ich mir meine Single-Vergangenheit zurück; diese Vergangenheit, in der ich, redlich in meiner Einsamkeit, keine Gefahr gelaufen war, eine Frau zu enttäuschen. Die Liebe laugte mich aus, ich konnte nicht schlafen. Jeden Morgen ging ich zu Louise nach oben. Sie erwartete mich in der immergleichen Position, quer übers Bett ausgebreitet, es war schon ein Ritual.
     
    Um sich meinem Rhythmus anzugleichen, besichtigte sie Paris bei Nacht. In Louises Erinnerung sollte die Stadt also im nächtlichen Lichterglanz erstrahlen. Gérard hatte sich bereit erklärt, sie mit dem Auto überall hinzufahren. Sie hatten die Sehenswürdigkeiten fast ganz für sich allein: Die Place Saint-Sulpice, Sacré-Cœur oder die Esplanade vor der neuen Bibliothèque nationale. Sie würde sich an ein Paris ohne Pariser erinnern, an ein Paris ohne Touristen, ohne Führer, an eine wie leer gefegte Stadt. Ich glaube, in unserer magischen Anfangszeit hatten diese Nächte eine wichtige Bedeutung für sie. Bei großen Gefühlen hat die Kulisse Gewicht. Am Morgen kam sie zurück ins Hotel, ging wortlos an mir vorüber, mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht, das eine erotische Verheißung darstellte. Sie fuhr mit dem Lift nach oben, und meine Gedanken weilten bei ihrem Körper. Wir liebten uns, dann schliefen wir ein. Es kam vor, dass wir beide aufwachten, uns stumm ansahen und weiterschliefen. Am Nachmittag frühstückten wir im Schneidersitz im Bett. Wir ließen die Vorhänge zugezogen wie zwei Vampire, die das Tageslicht scheuen. Am Beginn einerLiebe will man sich immer alles ganz schnell erzählen. Wir

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