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Souvenirs

Souvenirs

Titel: Souvenirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foenkinos
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sitzen lassen; er war so verständnisvoll mit mir gewesen in den vergangenen Tagen. Und: Er hatte sich sogar als erhebliche Stütze erwiesen. Ich sagte zu Louise: «Komm mit mir ins Hotel.» Ich glaube, ich sprach diesen Satz absichtlich doppeldeutig aus. Ich wollte herausfinden, wie weit sie mir folgen würde. Sie sagte: «Ja». (Vielen Dank für dieses Ja.) Sie war ganz spontan losgefahren, hatte gar kein Gepäck dabei. Und es machte ihr Spaß, diesen ungeplanten Trip fortzusetzen. Sie hatte nichts vor in den Ferien. Ich war spät dran, also versuchten wir, ein Taxi anzuhalten. Es begann zu regnen, wie hätte es anders sein können. Die Voraussetzungen für einen Moment, der für immer aus dem Meer der Erinnerungen herausragen würde, waren gegeben. Sämtliche Ingredienzien einer ganz persönlichen Liebesmythologie. Endlich bekamen wir ein Taxi, dessen Fahrer, ein Asiate, während der Fahrt nicht aufhörte zu reden. Sein Akzent war so stark, dass wir kein Wort verstanden. Wir saßen hinten und nahmen uns zusammen, um nicht herauszuplatzen. Das Leben war so schön, sah man von den vorangegangenen Stunden ab.
     
    Gérard erwartete mich im Hotel. Er hatte nicht den Wunsch gehabt, zur Beerdigung zu kommen. Seiner Ansicht nach waren solche Feiern etwas für den engsten Familienkreis. Er zog es vor, mich mit einem breiten Lächeln im Hotel zu empfangen. Er musste sich sehr wundern, als ich im Anzug aufkreuzte (ich war nicht zu Hause gewesen, um michumzuziehen) und mich in Begleitung einer jungen Frau befand, die ebenso durchnässt war wie ich. Wir erweckten den Anschein eines Liebespaars, das sich ein Zimmer nehmen wollte. Er stockte einen Augenblick, als würde er nach einer passenden Bemerkung suchen, dann probierte er es mit dieser: «Kommt ihr nun von einer Hochzeit oder von einer Beerdigung?» Ich weiß nicht, was in mich fuhr, sicherlich hing es mit meinen überschäumenden Gefühlen zusammen, aber ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. Ich sagte: Danke, danke für alles. Es war wahrscheinlich lächerlich. Aber die Liebe trat in mein Leben, und ich hatte Lust, die ganze Menschheit zu umarmen. Ich hatte Lust, den Leuten, die mir wichtig waren, zu sagen, dass sie wichtig für mich waren. Und es war der ideale Moment, um ihm zu danken für all seine Gesten, die mich zutiefst berührt hatten. Dieser Mann war zu mir wie ein Vater gewesen. Ich stellte ihm Louise vor und erläuterte kurz, wie es zu unserer Begegnung gekommen war (ich war so froh, mit jemandem über sie sprechen zu können). Er meinte, das sei eine unglaublich romanhafte Geschichte. Ich hatte keine Ahnung, ob sie nun romanhaft war oder nicht, die Frage stellte sich nicht für mich. Ich dachte mir schlicht, dass alles, was gerade geschah, die Schönheit des Wirklichen besaß, und das genügte mir. Gérard schlug vor, ein Glas Champagner zu trinken, um diesen feierlichen Moment zu begehen. Am Ende ließ er die Knorken scharenweise knallen, und die Gäste, die durchs Foyer kamen, durften ein Gläschen mittrinken. Die Touristen um uns herum redeten Chinesisch, Deutsch, Russisch. Louise und ich schauten uns an, wir verschmolzen mit demexotischen Charme und hatten das Gefühl, ein eigenes unabhängiges Land zu repräsentieren. Nach einer Weile zogen alle von dannen. Gérard bot Louise ein Zimmer an und erklärte, sie könne bleiben, so lange sie wolle. Sie wandte sich mir ganz langsam zu und sagte: «Na, dann werd ich mir mal Paris anschauen.»
     
    Ich blieb allein am Empfangstresen zurück. Ich war fix und fertig. Ich wusste, ich musste nur noch ein paar Stunden durchhalten, dann würde ich Louise wiedersehen. Tatenlos saß ich da in jener Nacht. Las nicht, schrieb nicht. Saß in stillen Gedanken. In stillen Gedanken an Louise. Der Morgen kam, ebenso wie das Mädchen, das mich ablöste. Sie hatte furchtbare Augenringe. Ich wollte nur eins, so schnell wie möglich nach oben. Aber ich blieb noch ein paar Minuten. Kochte dem Mädchen einen Kaffee. Langsam nahm sie wieder menschliche Züge an. Der Tag konnte beginnen. Ich nahm die Treppe, obwohl das Zimmer im obersten Stockwerk lag. Gérard hatte Wert darauf gelegt, dass meine Freundin eine wunderschöne Aussicht hatte. Als ich eintrat, waren die Vorhänge allerdings zugezogen. Louise hatte sich quer übers Bett ausgebreitet: Das war eine Einladung, sie zu wecken. Das Laken lag am Ufer ihrer Schultern; am Ufer eines friedlichen Sees; eines Schweizer Sees. Ich setzte mich zu ihr, gab acht, mich lautlos zu verhalten,

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