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Sozialisation: Weiblich - männlich?

Titel: Sozialisation: Weiblich - männlich? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Hagemann-White
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kränkt“ – der Erfolg dieser Erziehung war allerdings das Gegenteil von der Absicht). Doch auch liberale, ermutigende Erziehung ändert die Umwelt nicht, worin zwar Namen, aber keine weiblichen Bilder für aggressives Verhalten vorkommen.
    „Eltern können machen, was sie wollen: Gewalt ist männlich. Ohne Aggressionsphantasien, die die Realität übersteigen (ebenso übersteigen wie die Wut des Kindes seine Durchsetzungsmöglichkeiten und seine Ichstärke übersteigen), entwickelt sich keine freie Aggression innerhalb der realen Kämpfe von Kindern.“
(Hagemann-White
1979, S. 72).
    Die Abtrennung des eigenen ich von der Mutter verlief beim Mädchen stärker durch Spiegelung der Ähnlichkeit als durch Abgrenzung im Anderssein, dialogischer. Pädagogische Interventionen bei Mädchen nehmen dementsprechend häufiger die Form, sie aufzufordern, darüber nachzudenken, wie andere sich fühlen („Überleg' doch mal, wie du das finden würdest, wenn jemand mit Dir …“; „Vielleicht war das doch gar nicht Absicht, daß X Dich angerempelt hat.“). In der Vorschulphase (etwa 5 bis 7) entwickeln sie schon Fähigkeiten, Beziehungen zu erhalten, indem sie bewußt über die Bedürfnisse, Eigenheiten des/der anderen nachdenken, und Streitigkeiten durch individuelle, personengerechte Verhandlungen zu lösen. Wahrscheinlich zeigen sich da die Anfänge der Aneignung einer „anderen Art des Lernens“, auf die
Miller
hinweist, die eben nicht (wie in der Wissenschaft vorwiegend vorausgesetzt wird) durch Beibehaltung und Verallgemeinerung des schon einmal Gelernten fortschreitet.
    „Das Aufziehen von Kindern ist aber ein Beispiel für einen vollkommen anderen Lernprozeß. Was gestern gelernt wurde, ist heute nicht mehr gut genug und stimmt nicht mehr. Man darf nicht darauf hoffen, es genauso, oder auch nur analog, wiederverwenden zu können, weil sich die Situation bereits geändert hat. Frauen stecken also tagtäglich in ganz anderen Lernvorgängen drin.“
(Miller
1977, S. 87)
    Das Lernen, das Mütter selbst leisten müssen, werden sie eher von ihren Töchtern auch erwarten, die Nähe zur Mutter wird es auch eher den Töchtern vermitteln. 10
    Viel länger als dem Jungen ist
es
dem Mädchen gestattet, durch körperliche Nähe Schutz, Trost und Bestätigung zu holen. Sie darf und kann die Körperlichkeit der Mutter noch in Anspruch nehmen, nachdem der Junge sich dies längst selbst verbietet, was ihm von der väterlichen Umwelt auch nahegelegt wird. Da unsere Kultur „männliche“ Werte hochschätzt, auch wenn die Seele dabei zugrunde geht (und dies gilt durchaus auch für die in den letzten Jahren vielzitierte sowjetische empiristische Psychologie), wird jedes Abstreifen von Abhängigkeit als Entwicklungsfortschritt begrüßt. Übersehen wird dabei, was es den Jungen vielleicht kostet, den Trost nicht mehr holen zu können. Weinerlich sein, sich an Erwachsenen klammern – das sind negativ bewertete Beschreibungen dafür, Ängste, Schmerz und Angewiesensein zuzugeben und das, was ein Kind braucht, zu beanspruchen.
    In der Tat wirkt das Mädchen am Abschluß der Kleinkindphase oft ausgeglichener und stabiler als der Junge. Auch das körperliche Wachstum in der gesamten Zeit bis zur Pubertät verläuft gleichmäßiger
(Waber
1979), was dazu beitragen mag, daß Mädchen die Motorik besser beherrschen und Anforderungen, die in der Schule gestellt werden, leichter erfüllen können. Das Verhältnis zum eigenen Körper scheint ausgeglichener. Wenngleich allerlei empirische Studien den Eindruck heute stützen, daß Mädchen im Vorschulalter stolz und froh sind, Mädchen zu sein, ja daß sie das
eigene
Geschlecht sogar noch positiver sehen als die Jungen
(Katz
1979, S. 165), so sind diese Mädchen dennoch dabei, das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit zu begreifen, das ihnen eine rein negative Bestimmung ihres Geschlechts vermittelt. Hatte die frühkindliche Urerfahrung Weiblichkeit als Einssein mit der Mutter, geborgen und sicher sein erlebt, so ist die kulturelle Bestimmung die, daß etwas fehlt. Diese negative Bestimmung der Geschlechtlichkeit steht in enger Verbindung mit der Sexualisierung des Geschlechts, die nicht von der Mutter sondern vom Vater und von den Jungen eingeleitet wird. In der Mischung von Verwirrung, Verletztheit und Anpassung, mit der Mädchen auf die oben beschriebenen Verfolgungen der Jungen reagieren, ist dieser Prozeß der Sexualisierung spürbar. Wegen der erotischen Komponente der

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