Spademan: Thriller (German Edition)
ein Nachteil, weil sie jede Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein gewisser Vorteil besteht allerdings darin, dass man alles Wissenswerte über sie in einer Viertelstunde in Erfahrung bringen kann, entweder durch das Internet, durch öffentlich zugängliche Akten oder durch ein paar Anrufe bei den richtigen Stellen. Denn wissen Sie, welche Menschen immer ziemlich genau darüber Bescheid wissen, wer gerade an welchem Ort lebt?
Müllmänner.
Sie beobachten aufmerksam. Sie kennen Adressen. Nicht jede x-beliebige natürlich. Aber die wichtigen.
Also mache ich ein paar Anrufe bei den richtigen Leuten.
Und finde heraus, dass Lyman Harrow in einer Villa in Brooklyn Heights lebt. Und dass er gern allen möglichen Kram wegschmeißt. Teuren Kram.
Andenken.
Sachen, an die Leute sich erinnern.
Genau aus diesem Grund unterhalte ich ein paar gut bezahlte Kontakte zu Leuten, die noch in der Müllbranche arbeiten. Sie haben außerdem den Vorzug, dass sie nicht allzu neugierig sind.
Ich erzähle ihnen einfach, ich würde beruflich nach vermissten Personen suchen.
Was ich ihnen jedoch nicht verrate, ist, wieso diese Personen schließlich vermisst werden.
Obwohl mir Architektur im Grunde am Arsch vorbeigeht, gefällt dieses Haus sogar mir. Es ist aus braunem Sandstein oder Kalkstein, jedenfalls aus irgendeinem Luxusstein. Echte Buntglasfenster – für sehende Menschen. Und vier Wachleute, die sich nicht die geringste Mühe geben, ihre großkalibrigen Waffen zu verbergen.
Ich warte und beobachte sie von der anderen Straßenseite aus.
In der Zeit vor Times Square, als ich noch in Brooklyn wohnte, bin ich diese Tour hier gefahren, daher erinnere ich mich noch, dass Stadtviertel wie dieses das Geld, das über den Fluss herüberschwappte, förmlich aufsogen. All die alten, eleganten Stadthäuser wurden aufgekauft und entkernt. Mit Stahlgerüsten umgeben, die wie Skelette wirkten. Mit blauen Planen verhängt wie mit Leichentüchern. Ganze Heerscharen von Mexikanern, bewaffnet mit Hämmern und mit Staubmasken im Gesicht, rissen die Wände heraus. Draußen auf den Stufen verzehrten sie ihr Mittagessen. Von Kopf bis Fuß mit weißem Staub bedeckt.
Wie Gespenster suchten sie diese Häuser heim.
Niemand wollte das Innenleben der alten Gebäude bewahren. Nur die Fassaden.
Gute Knochen. Das war damals die verbreitete Ansicht über Sandsteinhäuser.
Also raus mit dem alten Zeug und rein mit dem neuen, teuren, auf alt getrimmten Designerkram. Eingeweidesanierung. Die Innereien wurden einfach rausgerissen und auf einen Schuttcontainer vor dem Haus geworfen.
Ich weiß das, weil ich früher den ganzen Müll abtransportiert habe.
Doch dann kam die Katastrophe, und Brooklyn wurde ein zwielichtiges Pflaster. Und wenn heute gelegentlich Trupps von Männern mit Masken und Hämmern vor Ihrem Stadthaus auftauchen, dann ganz bestimmt nicht, um Ihre Küche zu renovieren.
Trotzdem, ein paar Hartnäckige haben durchgehalten. Zum Beispiel Wall-Street-Typen wie Lyman Harrow, denen der Gedanke, einen Verlust hinnehmen zu müssen, unerträglich ist. Alle kriegen es mit der Angst, doch Lyman Harrow heuert Sicherheitskräfte an. Alle ergreifen die Flucht, Lyman Harrow bunkert sich ein. Genauer gesagt, Lyman Harrow, sein Butler und seine vier bewaffneten Wachleute. Und vermutlich geht er davon aus, dass sein Geld eine Art Burggrabeneffekt hat.
Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass das in den meisten Fällen tatsächlich so ist.
Wall-Street-Typen. Komisch, dass man sie immer noch so nennt.
Wenn man bedenkt, dass es die Wall Street gar nicht mehr gibt.
Eine Krankenschwester kommt. Eine außergewöhnlich hübsche Krankenschwester.
Sie klingelt. Der Butler öffnet ihr. Gott im Himmel, ein echter Butler mit Livree und allem Pipapo.
Sie verschwinden hinter einer schweren Tür.
Das sieht ja gar nicht so kompliziert aus.
Ich klingle ebenfalls. Derselbe Butler.
Ich möchte Mr. Harrow sprechen.
In welcher Angelegenheit?
Es geht um seine Nichte.
Folgen Sie mir.
Der Butler führt mich ins Haus und eine gewundene Treppe hinauf. Die Inneneinrichtung besteht komplett aus hochglanzpoliertem Holz, als wäre alles aus einem einzigen gigantischen Baumstamm herausgeschnitzt worden.
Am oberen Ende der Treppe bedeutet mir der Butler zu warten. Ich erhasche einen Blick auf die Krankenschwester, die am Ende des Flurs durch eine Tür verschwindet. Dabei hält sie die Hände vor sich, die Ellbogen abgewinkelt. Ganz so, als bereite sie sich auf eine
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