Späte Familie
mich, was soll das heiÃen, das ist ein Schloss, das noch nie benutzt worden ist, und er sagt, ja, aber Tatsache ist doch, dass ich es ohne weiteres aufbekommen habe.
Worauf willst du hinaus, frage ich wütend, und er sagt, das ist doch vollkommen klar, du wolltest die Tür nicht aufmachen, du wolltest nicht zu deinem Sohn gehen, die Sperre war nicht im Schlüsselloch, sondern in dir, und ichprotestiere, in mir? Wieso denn, ich habe doch versucht, die Tür aufzumachen, ich bin doch wirklich erschrocken, und er sagt, ja, unsere tiefsten Ãngste sind die vor uns selbst, ist dir das nicht klar? Und ich höre seine Worte voller Entsetzen und Groll, was soll das, Oded, sage ich, ich bin nicht bereit, diese unbegründeten Unterstellungen zu akzeptieren, wollte ich mich etwa nicht um meinen Jungen kümmern? Woher weiÃt du so genau, was ich will und was ich nicht will? Wie weit kennst du mich überhaupt? Und er grinst, seine Finger streichen über mein Gesicht, beruhige dich, sagt er, du musst meine Erklärungen nicht annehmen, im Allgemeinen prüfe ich die Menschen, die mir nahe stehen, nicht auf diese Art, und selbst wenn, behellige ich sie nicht mit meinen Wahrnehmungen, aber diesmal hatte ich keine Wahl, es war zu offensichtlich und du warst zu blind, aber ich bitte dich für meine wilde Analyse um Entschuldigung, und jetzt gehe ich, bevor du mich wegschickst, ein dünnes beherrschtes Lächeln erscheint auf seinen Lippen, als er die Tür aufmacht, in seinem schwarzen Mantel, unter dem sich eine groÃe Narbe befindet, eine Narbe, geformt wie eine Heugabel.
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Halte dich von ihm fern, sagte meine Mutter immer, alle wissen, dass er krank ist, und ich protestierte, wieso krank, er sieht ganz gesund aus, und sie sagte, wie naiv du bist, das ist nur eine kurze Atempause, die ihm die Krankheit gewährt, wer weiÃ, wie lange sie dauert, du bist neu in dieser Klasse und weiÃt es noch nicht, alle auÃer dir wissen Bescheid, er wird seinen siebzehnten Geburtstag nicht feiern, und ich weigerte mich, das zu glauben, er sah so stark aus in seiner weiÃen Tenniskleidung, immer ging er gerade zum Training oder kam daher, und immer sah er ruhig aus, völlig sorglos, und alle Mädchen waren hinter ihm her, er war der Erste, der mich in der neuen Klasse bemerkt hatte, dem mein vor Schlaflosigkeit gequältes Gesicht aufgefallen war, er bot mir seine Nähe an, deren Wert ich nicht gleich erkannte, und die anderen folgten ihm, bis die fremde Stadt mir allmählich vertraut wurde, und an einem Freitag rief er mich an und sagte, meine Eltern fahren übers Wochenende weg, ich bin allein zu Hause, komm zu mir, sag deinen Eltern, dass du bei Dorit schläfst, und ich sprach mich sofort mit Dorit ab, die ihm gegenüber wohnte, auch damals war es mitten im Winter, der Himmel zerplatzte über meinem Kopf, als ich das Haus verlieÃ, begleitete mich mit misstrauischem Ressentiment, ich hoffe, du gehst nicht zu Gilâad, sagte sie, sie beharrte hartnäckig darauf, ihn Gilâad zu nennen, nicht Gili, ich weiÃ, es schmeichelt dir, dass er sich für dich interessiert, aber glaub mir, es liegt nur daran, dass er krank ist.
Was willst du von mir, ich gehe zu Dorit, fuhr ich sie an,und ein paar Minuten später verlieà ich die vertrauten StraÃen und erreichte die Viertel, die sich so ähnlich sahen, dass ich mich immer verlief. Leere lange Ãrmel zeigten spöttisch auf mich, wie lebende Wesen, die kopfüber auf der Wäscheleine hingen, die dünnen Betonwände verdunkelten sich im Sturm, als wären sie aus Basalt, und er machte mir die Tür auf, ohne Hemd, in kurzen Tennishosen, als wären all seine anderen Kleidungsstücke drauÃen im Sturm geblieben, seine knabenhafte Brust war glatt und golden, von den Haaren, die bis auf seine Schultern hingen, tropfte das Wasser von der Dusche und rann über seine Haut, seine Augen glänzten wie Blätter nach dem Regen, wie wunderbar er war, als wollte er die Welt dazu zwingen, die Luft anzuhalten, bevor er sie verlassen würde, als wollte er den unvergesslichen Eindruck seiner blühenden Jugend hinterlassen. Er kochte heiÃe Schokolade für uns, sämig wie Brei, und las mir eine Geschichte vor, die er geschrieben hatte, er schrieb so schön, er war sowohl der beste Schüler als auch der Beste im Sport, er war der Tollste, und alle liebten ihn und niemand wusste, wen er wirklich liebte,
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