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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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meinem Sohn plötzlich eine unüberwindliche Hürde aufgebaut ist.
    Und wieder strecke ich die zitternden Finger nach dem Schlüssel aus, beschwöre ihn flüsternd, und wieder bewegt er sich nicht, ich versuche, das Schlüsselloch mit der Handcreme zu schmieren, die auf dem Nachttisch liegt, aber der Schlüssel widersetzt sich hartnäckig. Warum habe ich nicht widersprochen, als er die Tür abschließen wollte, und warum schläft er so ruhig, als wäre er nicht verantwortlich für dieses Desaster, und ich beobachte seinen gelassenen Schlaf voller Groll, schutzlos liegt er da, der Feindschaft ausgeliefert, nackt ohne seine Worte, die eine nach Weihrauch duftende süße Nebelwand um ihn erschaffen, soll ich ihn jetzt wecken, damit er die Tür eintritt und Gili, der von dem Lärm natürlich aufwachen wird, zwischen den Trümmern Jotams verhassten Vater entdeckt, und dann ist auf einmal die Stimme zu hören, vor der ich mich so gefürchtet habe, seine dunkle Babystimme, die er hat, wenn er vergisst,dass er eigentlich groß sein muss, Mama, ist schon Morgen, ist die Nacht schon vorbei? Immer hat er Angst davor, dass eines Tages eine Nacht nicht mit einem Morgen enden könnte, und ich antworte schnell, die Lippen an die Tür gedrückt, schlaf, Gili, bald ist es Morgen, mein Herz klopft so heftig, dass mein Körper davon geschüttelt wird wie ein Grashalm im Sturm, und ich sinke auf das Bett, schlaf weiter, murmle ich, schlaf weiter, und ich flüstere in sein Ohr, wach auf, Oded, und er richtet sich sofort auf, mit beherrschtem Gesicht, und fragt mit seiner scharfen Stimme, was ist passiert? Gili ruft mich, flüstere ich, und ich kriege die Tür nicht auf, und er springt aus dem Bett, setzt sich auf den Stuhl vor dem Computer, genau wie gestern Abend, knöpft schnell sein Hemd zu, wie jemand, der im Überleben geübt ist, misstrauisch und angespannt, so ganz anders als Amnon, der sich auf dem Bett streckt und dehnt und sofort wieder in einen Schlummer versinkt, als Abschied vom vorangegangenen Schlaf.
    Seine Augen wandern durch das Zimmer, bleiben an meinem Gesicht hängen, an den heruntergelassenen Rollläden, er prüft die Stimmung, die völlig umgeschlagen ist, plötzlich stehen Vorwürfe zwischen uns, wo vorher sehnsüchtige Nähe gewesen ist, und ich flüstere, was tun wir jetzt, er ist schon einmal aufgewacht, gleich wird er wieder nach mir rufen. Was sollen wir tun, ich betrachte feindselig den Mann, der zusammengesunken vor dem Computer sitzt, es sieht aus, als würde die Narbe seine Schultern zusammenziehen wie zwei Flügel, als würde seine Brust immer tiefer einsinken und verschwinden.
    Beruhige dich, sagt er, es gibt eine Lösung, wir müssen sie nur finden, und wieder schaut er sich im Zimmer um, in dem es weder Telefon noch irgendwelches Werkzeug gibt, auch keine Möglichkeit, durch das Fenster oder über einenBalkon hinauszugelangen, hier gibt es nur ein Bett, einen Computer und einen Schrank, einen durchsichtigen Schatten von Begehren, das leise Echo wollüstiger Seufzer, und schließlich bückt er sich zu dem Schlüssel, berührt ihn vorsichtig, wärmt ihn ein bisschen mit den Händen an, und mit einer fast beiläufigen, schnellen Bewegung dreht er ihn um, macht kurzen Prozess.
    Die Tür ist offen, Ella, verkündet er trocken und deutet mit einer spöttisch feierlichen Handbewegung zu ihr hin, und ich renne schnell hinaus, bevor sie sich wieder schließen kann, laufe zu Gilis Bett und küsse seine Stirn, sein Gesicht, ein paar Kuscheltiere sind auf den Boden gefallen, ich hebe sie so vorsichtig auf, als fürchtete ich, auch sie könnten aufwachen, und ich lege sie neben ihn, den Blick auf ihn gerichtet wie ein Leibwächter, schlaf, mein Schatz, murmle ich, und ich schaue zur Tür, Oded steht dort auf der Schwelle, verdeckt das Licht aus dem Flur und winkt mich zu sich, als könne er dieses Zimmer nicht betreten, und ich gehe zu ihm, danke, flüstere ich ein bisschen verlegen, es war furchtbar, ich bin sehr erschrocken.
    Er nickt, ja, du hast dir selbst eine schreckliche Geschichte erzählt, und ich widerspreche sofort, was soll das heißen, so war es doch, die Tür ist nicht aufgegangen, es gab irgendeine Sperre, glaubst du mir nicht? Er lacht, natürlich glaube ich dir, vermutlich gab es ein kleines Problem, die Frage ist nur, was dahintersteckt, und ich wehre

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