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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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aufhalten, wenn ich ihn so sehr begehre, dass ich eigentlich keine Wahl habe?
    Zieht draußen eure Schuhe aus, damit ihr den Dreck nicht in die Wohnung bringt, sage ich zu ihnen, als wir die Treppe hinaufsteigen, und merke wieder, wie angenehm es ist, im Plural zu sprechen, und Gili, der als Erster eintritt, stellt fest, du hast aufgeräumt, Mama, für wen? Und ich umarme ihn und sage, für euch, damit ihr es schön habt, und obwohl er nicht beruhigt ist, gibt er nach, stürmt sofort zu den neu gekauften Kartenpäckchen, gibt Jotam drei, mit demonstrativer Höflichkeit, und schon fangen sie an zu vergleichen und zu tauschen, und ich gehe ins Schlafzimmer, überlege, was ich anziehen soll, etwas Bequemes, Häusliches, das mir schmeichelt, aber nicht zu schlampig aussieht, und schließlich wähle ich den roten Pullover und ausgeblichene Jeans, doch ich bin immer noch nicht zufrieden, soll ich die Haare zusammenbinden oder offen lassen, ich glaube, ich habe mich noch nie so gründlich auf eine Verabredung mit ihm vorbereitet, schließlich waren die meisten unserer Treffen zufällig, und diesmal ist alles geplant, soll ich mich noch einmal schminken oder mich mit den Resten des Morgens begnügen, und als ich versuche, meine Haare mit einem roten Samtband zusammenzubinden, bereue ich es sofort, ich frage mich, für wen all diese Vorbereitungen wirklich bestimmt sind, für den Mann, der mich schonschlafend und nackt gesehen hat, oder für seine schöne zehnjährige Tochter, ist sie es, die ich mit meiner Erscheinung beeindrucken möchte?
    Wieder und wieder schlagen sie mit ihren kleinen Händen auf den Teppich, das gehört wohl zu ihrem Zeremoniell beim Bildertauschen, und vielleicht überhöre ich deshalb das Klingeln, und während ich noch auf dem Sofa liege, knarrt schon die Tür, und sie kommen herein, der Vater und seine Tochter, Arm in Arm, und sofort bereue ich, dass ich die Haare nicht zusammengebunden habe, denn ihre blonden Haare sind zu einem vollendeten Knoten gebunden, der ihr Porzellangesicht älter und erwachsener aussehen lässt, sie schaut mich mit offenem Verdruss an.
    Guten Tag allerseits, sagt er feierlich, seine tiefe Stimme hört sich plötzlich ein wenig spöttisch an, aufgesetzt, und ich springe auf, ihnen entgegen, guten Tag, wie schön, dass ihr gekommen seid, sage ich, als handelte es sich um eine Überraschung, und wir beide würden bestimmt lachen, wenn wir nicht so angespannt wären, fast verzweifelt, und er versucht ganz beiläufig zu fragen, kennst du Maja? Aus irgendeinem Grund deutet er auf sie, und ich winke ihr zu, obwohl sie neben mir steht, hi, Maja, ich bin Ella, sage ich, und sie unterbricht die gezwungene Feierlichkeit rüde, ich weiß, sagt sie, ich habe dich schon einmal im Café gesehen, und ich sage schnell, gebt mir eure Mäntel, und er versucht, seinen Mantel auszuziehen, aber die Hand, die seinen Arm festhält, macht das unmöglich. Papa, ich will nach Hause, sagt sie, ich habe Hausaufgaben auf, und er sagt, komm, bleiben wir ein bisschen hier, meine Süße, danach kannst du Hausaufgaben machen, ich bin sicher, dass Jotam noch nicht weggehen will, und erst da schaut sich Jotam nach ihnen um, lässt die Sammelkarten fallen und stürzt sich auf seinen Vater, Papa, schreit er, als hätten sie sich seit Wochen nichtgesehen, Gilis Mama hat mir Karten gekauft, und Oded ruft, wie schön, herzlichen Glückwunsch, als handelte es sich um ein riesiges, unerwartetes Geschenk, während er immer noch versucht, den Mantel auszuziehen, dazu schüttelt er ihre Hand ab, die schmale, zarte Hand, die sich gekränkt zurückzieht, und ich registriere einen ersten kleinen Sieg für mich, nehme ihm schnell den Mantel ab und hänge ihn so sorgfältig auf einen Bügel im Garderobenschrank, als würde er ihn in absehbarer Zeit nicht mehr brauchen.
    Gib mir auch deinen, es wird dir sonst zu heiß, sage ich zu ihr, und sie zieht mit einem lauten Seufzer ihren Mantel aus, so dass ihr prachtvolles hellblaues Tanzkostüm zu sehen ist, ein glänzender Body und darüber ein langärmliges Ballettkleid, das ihren schmalen Körper eng umschließt, was für ein tolles Kostüm, schmeichle ich ihr, und sie lächelt ein wenig hochmütig, Papa hat es mir aus Amerika mitgebracht. Wirklich, frage ich und betrachte ihn anerkennend, was für ein Vergnügen ist es doch, ein

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