Späte Familie
Mädchen zu haben, dem es nicht, wie den Jungen, egal ist, was es anhat, spotte ich, versuche, eine Art weiblicher Solidarität herzustellen, dazu ziehe ich Gili an mich, der auch aufgestanden ist und sich neben mich gestellt hat, seine Augen verfolgen misstrauisch das Geschehen, mein kleiner Sohn und ich stehen am Eingang unserer Wohnung, und vor uns Oded und seine kleinen Kinder, wie zwei Lager, deren Streitkräfte sich schweigend beäugen.
Habt ihr Hunger, frage ich schnell, es gibt Schokoladenkuchen, es gibt Gemüsesuppe, und wir könnten auch Pizza bestellen, und zu meiner Freude schreien die beiden Jungen begeistert, Pizza, und für einen Moment verwischt sich die Frontlinie, und ich bemühe mich, die Bestellung voranzutreiben, was wollt ihr auf die Pizza, frage ich, Oliven, Pilze, was magst du am liebsten, Maja, und sie antwortet kühl, ichhabe keinen Hunger. Sie mag Pizza mit Mais, sagt Oded, und ich frage, und du, etwas verlegen, kennen wir uns überhaupt, den Geschmack deiner Haut kenne ich, aber nicht deinen Geschmack bei Pizza, und er sagt, mir ist es egal, und Gili schreit, ich mit Oliven, als hätte er Angst, ich könnte ausgerechnet seine Vorlieben vergessen, und Jotam schreit hinterher, ich mit Pilzen. Dann nehme ich vielleicht auch Pilze, damit ich nicht neidisch werde, sagt Gili zögernd, in seiner Sicherheit erschüttert, und ich frage erstaunt, warum solltest du neidisch werden, wenn du etwas anderes lieber isst? Und er murmelt, hör auf, Mama, sag mir nicht, was ich fühlen soll, und plötzlich werden seine Augen feucht, und er jammert, ich weià nicht, welche Pizza ich bestellen soll.
Du bestellst, was du magst, Oliven, entscheide ich, aber er kämpft mit sich, ich werde neidisch auf Jotam sein, ich möchte, dass Jotam auch Oliven nimmt, und ich seufze, gibt es auf der Welt eine kompliziertere Aufgabe, als Pizza für fünf Personen zu bestellen, die versuchen, zu einer Familie zu werden? Wo liegt das Problem, Gili, schimpfe ich, es kann dir doch egal sein, was er isst, und er klammert sich an mich, bricht in Tränen aus, es ist mir aber nicht egal, Rotz läuft aus seiner Nase, Tränen ziehen sichtbare Linien über seine Wangen, die Lider senken sich über seine Augen, und aus seinem offenen Mund, dem zwei Schneidezähne fehlen, blitzen die Eckzähne wie bei einem Vampir, noch nie habe ich ihn so gesehen, so vernachlässigt und reizlos, es ist, als hätte man mir fremde Augen eingesetzt, und vielleicht sind sie nicht fremd, sondern die Augen des Mannes, der sich schweigend auf das Sofa setzt, seine schönen Finger, die ich erst gestern geküsst und gestreichelt habe, verflochten mit denen dieses hochmütigen, strahlenden Mädchens, das mit offensichtlicher Gleichgültigkeit den kleinen Jungen betrachtet,der in meinen Armen weint, als wäre eine Welt für ihn zusammengebrochen.
Ich habe eine Idee, rufe ich mit gespielter Fröhlichkeit, bestellen wir eben beides, und du probierst beide und entscheidest dann, ein verschwenderischer und ganz und gar unpädagogischer Vorschlag, der ihn nicht beruhigt und nur Jotam dazu bringt zu sagen, wenn er zwei bekommt, will ich auch zwei, und ich verkünde, ausgezeichnet, das Problem ist gelöst, deutlich verwirrt greife ich nach dem Telefon, bestelle die gröÃte Familienpizza mit dem abwechslungsreichsten Belag, um die Vorlieben aller Anwesenden zu befriedigen, obwohl mir klar ist, dass keiner von uns besonders groÃen Hunger hat und mehr als die Hälfte übrig bleiben wird.
Gili, wasch dir das Gesicht und putz dir die Nase, sage ich ungeduldig, nachdem ich den Auftrag erledigt habe, und er geht geschlagen zum Badezimmer und kommt gleich wieder, das Gesicht nass, aber ebenso schmutzig wie vorher, und ich schüttle den Kopf, begleite ihn aber nicht zum Badezimmer, um ihm beim Naseputzen zu helfen, ich habe Angst, unter ihren bedeutungsvollen Blicken das Wohnzimmer zu verlassen, ich bleibe, damit sie sich nicht Zeichen des Einverständnisses geben können, damit sie nicht die Gelegenheit benutzen, um zu verschwinden, schlieÃlich sind sie eine fast vollständige Familie, eine Familie, die keinen Zuwachs braucht, erst recht keinen verwöhnten kleinen Jungen, einen weinerlichen Dickkopf, aber da geht Jotam zu ihm, mach dir keine Sorgen, Gili, ich werde das Gleiche essen wie du, versichert er in einem zauberhaft groÃzügigen Ton, ich werde auch Oliven
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