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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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vergeht, wächst ein neuer Wirbel an ihrem kalten und abschreckenden Rücken, und die Woche wird immer länger und schlingt sich um meinen Hals, bedroht mich mit ihrem Gift, könnte ich sie doch aus den Wochen, aus den Jahren löschen, denn mir scheint, als wären bereits sieben Jahre vergangen, seit die Möbelpacker meine Sachen hergeschleppt haben, das Sofa und die beiden Sessel, das Bett des Jungen, Teppiche und Schreibtische, Kartons mit Büchern und Spielsachen, Kleidung und Geschirr, die neue Wohnung hat den halben Inhalt der alten Wohnung verschluckt und mir dafür nicht das Gefühl eines Zuhauses gegeben, sondern eher das eines bedrückenden und beschämenden Exils. Und ich warte angespannt auf das Wochenende, vielleicht wird sich dann alles ändern, ohne die Kinder werden wir versuchen, unsere zerbrochene Liebe zu reparieren, die geheimnisvolle Nähe wiederherzustellen, die von uns gewichen ist, denn in den Nächten schlafe ich auf dem Teppich vor Gilis Bett, und in den kurzen Tagen sind die Kinder in der Schule und Oded ist in der Praxis, und wenn er heimkommt, scheint es, als würden wir unsere Worte mit der Axt aus dem Eisklotz heraushauen, der sich zwischen uns aufgerichtet hat.
    Ich warte nur auf das Wochenende, auf das Ende dieser ersten, verfluchten Woche, um mit ihm allein zu sein, damit wir uns die grelle Kriegsbemalung vom Gesicht waschen und zu unserer Nähe zurückkehren, an die zu denken mirSehnsucht durch den Körper peitscht, hat es sie wirklich gegeben, oder habe ich sie mir nur eingebildet, und jetzt, am Freitagnachmittag, schaue ich immer wieder aus dem Fenster, hoffe, ihn zu sehen, wie er auf das Haus zukommt, in der Hand einen Strauß Blumen oder eine Flasche Wein, doch da sehe ich ihn, begleitet von zwei Kindern, ohne Mutter, er trägt ihre Schulranzen über den Schultern und hat die Arme um sie gelegt, und ich reiße das Fenster weit auf, voller Wut folge ich ihren Bewegungen. Sie verhalten sich so natürlich, als wäre dies schon seit jeher ihr Zuhause, kehren nach Hause zurück wie alle Kinder an einem Freitagnachmittag, Maja geht nun voraus, schnell und zielstrebig, ihre honigfarbenen Haare locken sich auf ihrem Rücken, Jotam läuft verträumt hinterher, und zwischen beiden geht ihr Vater, das Handy am Ohr, das gerade geklingelt hat, und ich, die ich mich auf ein Wochenende ohne Kinder vorbereitet und deshalb Gili zu seinem Vater geschickt habe, verziehe enttäuscht das Gesicht.
    Ich habe gedacht, wir würden allein sein, flüstere ich ihm zu, als sie eintreten, und er zischt mir zu, tut mir Leid, an mir liegt es nicht, und ich sehe ihn fragend an, wenn es ihm wirklich Leid täte, könnte ich mich vielleicht damit abfinden, könnte die Enttäuschung über eine verpasste Chance mit ihm teilen, aber warum habe ich das Gefühl, dass es ihm überhaupt nicht Leid tut, dass er seine Kinder dazu benutzt, mich wegzuschieben, und ich frage wütend, warum liegt es nicht an dir? Du hättest Michal sagen können, dass du etwas vorhast, aber er senkt den Blick, natürlich kann er ihr nichts abschlagen, sein Schuldgefühl verschließt ihm den Mund, ich habe gehört, wie er am Telefon stundenlang versucht, sie zu beruhigen, wie er es ihr überlässt, die Besuche der Kinder festzulegen, je nachdem, in welcher Stimmung sie gerade ist. Ich habe sie seit Wochen nicht mehr getroffen, seitjenem Picknick im Rabenpark, und ihr Bild hat sich in mir bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, sie ist zu einem alles fordernden und verschlingenden Wesen geworden, die Mutter seiner Kinder, die mit mir um seine Aufmerksamkeit wetteifert, die ihre Kinder schickt, um meine Pläne zu durchkreuzen, die unaufhörlich Krankheiten und Schmerzen erleidet, eine vorzeitliche Schlangengöttin, ein räuberisches und bedauernswertes Geschöpf, das umso schamloser raubt, je bedauernswerter es wird.
    Wir haben daran gedacht, aufs Land zu fahren, erklärt er einsilbig, möchtest du mitkommen? Als wären sie eine Familie und ich nur eine zufällige Besucherin, die keinen Einfluss auf ihre Pläne hat, und wieder verzieht sich mein Gesicht vor Überraschung, wohin fahrt ihr, frage ich, und er sagt, in den Galil, zu Freunden von mir, Orna und Dani, ich habe dir von ihnen erzählt, und ich frage vorwurfsvoll, warum hast du mir das nicht vorher gesagt, ich hätte Gili mitnehmen können, und er sagt, Orna hat gerade eben

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