Späte Heimkehr
einmal und fuhr, so schnell sie konnte, davon. Der Gedanke an seine funkelnden graugrünen Augen trieb ihr erneut die Schamesröte ins Gesicht.
Barney starrte ihr entgeistert hinterher. Was hatte er denn so Schlimmes gesagt, dass sie so panisch Reißaus genommen hatte? Er hatte doch nur angenommen, dass sie im alten Tümpel baden war, weil ihr nasses Haar auf dem Rücken ihres Kleides einen feuchten Fleck hinterlassen hatte. Hatte sie womöglich ein schlechtes Gewissen? Andererseits hielt sie sich ja wohl kaum unbefugt hier draußen auf. Er lenkte sein Pferd auf die Farm der Pembertons zu, aber der Anblick des Mädchens wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen.
In der Nähe des Geräteschuppens traf er auf Keith Pemberton.
»Hallo, Mr. Pemberton. Hat mein Vater Ihnen gesagt, dass ich vorbeikomme?«
»Stimmt, der hat vorhin angerufen. Ging aber ganz schön schnell bei dir.«
»Ich habe die Abkürzung über den Hügel genommen und bin dann am Bach entlanggeritten«, erklärte Barney.
»Du willst also mit McBride sprechen. Scheint ein guter Arbeiter zu sein, hat ordentliche Referenzen und ist ein umgänglicher Bursche. Ich hab gehört, er ist auch ein fähiger Scherer. Allerdings ist meine Mannschaft schon komplett, und ehrlich gesagt will ich nicht unbedingt riskieren, jetzt noch einen Außenseiter mit reinzubringen. Einige Männer haben damit so ihre Probleme.«
»Uns wäre es sehr recht, wenn Sie auf ihn verzichten könnten – wir könnten nämlich gut noch einen zusätzlichen Scherer gebrauchen … natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind.«
»Ich habe sowieso einen langfristigen Arbeitsvertrag mit ihm, da lässt es sich schon einrichten, dass er während der Schur für ein paar Wochen bei euch arbeitet. Er ist mit der ganzen Familie hier – eine Riesensippe.« Der Schafzüchter schob seinen Hut in den Nacken und lächelte. »Im alten Haus geht es jetzt mächtig rund.«
»Beim Bach unten ist mir ein Mädchen über den Weg gelaufen. Die gehörte dann vermutlich dazu. Ich hatte aber überhaupt keine Chance, mit ihr zu sprechen. Sie ist sofort davongehuscht wie ein verschrecktes Häschen«, erzählte Barney lächelnd. »Übrigens war sie sehr hübsch.«
»Normal ist das ja nicht, Barn, dass die Mädchen vor dir davonlaufen«, entgegnete Keith Pemberton und grinste ein klein wenig schadenfroh. »Wahrscheinlich war das die Älteste. Wir hatten sie alle zum Abendessen bei uns. Du findest McBride – Bob – jedenfalls unten am See. Er meint, dass er die kaputte Pumpe wieder hinkriegen kann. Sag ihm, dass du mit mir gesprochen hast, und grüß deinen Vater.«
Barney bedankte sich, stieg wieder aufs Pferd und ritt zum See, der ganz in der Nähe des Grenzzauns zu Amba lag.
Er begrüßte Bob McBride, der wieder einmal ölverschmiert war und einen Schraubenschlüssel in der Hand hielt. »Eigentlich bin ich ja kein Mechaniker, aber jedes Mal, wenn wir uns begegnen, schraube ich an irgendwelchen Maschinen herum«, sagte er grinsend.
In wenigen Sätzen erklärte ihm Barney, er habe mit Keith Pemberton gesprochen, der damit einverstanden sei, dass er den Holtens beim Scheren aushelfe, falls er interessiert sei.
Bob McBride richtete sich auf. »Tja, schlecht wäre das nicht. Als Schafscherer bin ich nämlich viel besser zu gebrauchen als als Mechaniker. Wann brauchten Sie mich denn?«
»Mehr oder weniger sofort. Wir haben unsere Mannschaft beinahe zusammen. Die übrigen drei Scherer treffen morgen Abend ein.«
»Gut, dann erledige ich hier morgen alles Wichtige. Wie viele sind's denn?«
»Zehntausend. Da können wir wirklich noch etwas Hilfe gebrauchen. Sie wohnen ja gleich nebenan, das passt gut. Natürlich können Sie auch gerne in der Hütte bei den anderen Scherern übernachten, falls …«
»Nein danke. Nicht, wenn ich auch in meinem eigenen Bett schlafen kann.« Nach kurzem Nachdenken setzte er lächelnd hinzu: »Abgesehen davon würde mein Clan mich bestimmt vermissen.«
»Gut, das wäre dann also geregelt.« Barney reichte ihm die Hand. »Wenn Sie rüberkommen, lernen Sie auch meinen Vater kennen. Ach, übrigens, wie groß ist der Clan denn?«
Bob McBride erwiderte Barneys Lächeln mit einem breiten Grinsen: »Groß … jedenfalls groß genug, um mich jeden Tag bei Laune zu halten.«
Nachdem McBride gegen Abend sein Werkzeug weggeräumt hatte, suchte er Keith Pemberton, um ihm zu danken.
»Keine Sorge, Gwen und ich werden hier trotzdem ein Auge auf alles haben. Der junge Holten scheint
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