Späte Heimkehr
noch ein Baby ist, ist er schon fünfmal größer als seine winzige Mutter. Er ist offenbar von dieser weißen Bantamhenne ausgebrütet worden. Aber jetzt sieht es so aus, als wolle sie mit dem Riesenmonster, das da aus dem Ei gekrochen ist, nichts mehr zu tun haben«, erzählte Sarah Pemberton lachend. »Schaut doch noch mal bei mir rein, wenn ihr hier fertig seid, dann bekommt ihr was Kaltes zu trinken.«
Kevin zwängte sich in den Stall und fing die kreischenden und mit den Flügeln flatternden Vögel ein. Abby band ihnen anschließend die Beine zusammen und bugsierte sie in den Sack. »Warum machst du dir überhaupt die Mühe, die Beine zusammenzubinden, Abby? Wir haben es doch nicht so weit«, fragte Kevin und stürzte sich mit sichtlichem Vergnügen auf den letzten Hahn. »Ha, hab ich dich!«, keuchte er triumphierend.
»Wenn sie in Panik geraten oder miteinander kämpfen, könnten sie sich mit den Krallen gegenseitig verletzen«, erklärte Abby ihm. »So kann nichts passieren.«
Kurze Zeit später standen Abby und Kevin vor der Küchentür und wurden von Mrs. Pemberton, die bereits Früchtekuchen und Gläser mit Fruchtsaft auf den Tisch gestellt hatte, hereingebeten. »Greift zu. Habt ihr euch unten denn schon eingerichtet?«
»Vielen Dank, Mrs. Pemberton. Ja, wir fühlen uns hier wirklich wohl«, antwortete Abby mit einem warmen Lächeln. »Ab nächste Woche gehen die Kleinen in die Schule, und ich will mir eine Arbeit suchen. Sie wissen nicht zufällig etwas in der Stadt?«
»Nein, leider nicht. Aber ich bin mir sicher, dass du recht bald etwas finden wirst.« Was für ein nettes Mädchen diese Abby ist, dachte sie bei sich. »Was suchst du denn für eine Arbeit?«
»Ach, das ist mir eigentlich egal. Ich habe schon alles Mögliche gemacht.«
»Sparst du vielleicht für eine Reise ins Ausland, oder ist es für die Aussteuer?«
»O Gott, nein. Nichts dergleichen. Ich möchte meiner Familie nur etwas unter die Arme greifen. Ich bin noch nie auf den Gedanken gekommen, ins Ausland zu reisen«, erwiderte Abby. Und für den Fall, dass das vielleicht zu bescheiden klang, setzte sie rasch hinzu: »Später vielleicht, wenn ich verheiratet bin.«
»Eine Reise in die Flitterwochen«, sagte Sarah Pemberton lächelnd.
»Ja genau, das wäre schön.« In diesem Augenblick bemerkte Abby, dass Kevin heimlich nach einem zweiten Stück Kuchen griff. »Kev! Frag Mrs. Pemberton vorher, ob du überhaupt ein zweites Stück haben kannst!«
Mit hochrotem Kopf zog Kevin eilig seine Hand zurück, und Abby und Mrs. Pemberton brachen in lautes Lachen aus.
»Der Kuchen schmeckt aber auch wirklich gut«, sagte Abby.
»Leider ist er bloß gekauft. Ich hatte diese Woche keine Zeit zu backen – außerdem backe ich sowieso nicht besonders gut. Nimm dir ruhig noch, Kevin. Habt ihr eigentlich Hühnerfutter? Nein? Dann gebe ich euch noch etwas von unserem Korn mit, damit sich eure Hühner gleich wohl fühlen.«
Als Abby und Kevin wieder zu Hause waren, stellten sie sich in den behelfsmäßig errichteten Hühnerstall, öffneten die Säcke und begannen die Hühner herauszuholen, um sie von ihren Fesseln zu befreien. Abby hielt gerade einen zornigen Hahn fest, während Kevin mit seinem stumpfen Messer an der Schnur herumsäbelte. Dann gab er plötzlich einen Schrei von sich. Dem Truthahn war es gelungen, sich aus seinem Sack zu befreien. Mit einem schrillen Kreischen spreizte er die prächtigen Flügel und suchte trotz seiner zusammengebundenen Beine das Weite.
»O nein! Pass auf die anderen auf, Kev. Ich fange ihn wieder ein.« Abby rannte dem wild flatternden Vogel hinterher, der in etwa ein Meter Höhe davonflog. Alle zehn Meter kam er mit einer Bruchlandung zu Boden, aber jedes Mal, wenn Abby ihn packen wollte, flog er wieder taumelnd in die Höhe.
»Komm sofort zurück, Tom Turkey – du blödes Vieh!«, rief Abby ihm verzweifelt nach.
Quer über die Koppel ging es, der Puter taumelte zwischen Himmel und Erde, und Abby lief ihm stolpernd hinterher. Sie wollte das arme Tier unbedingt wieder einfangen, weil sie befürchtete, dass es mit den zusammengebundenen Füßen in der Freiheit keine Überlebenschance hatte.
Mitten in der Flugbahn des Puters tauchte unversehens der kleine Stausee auf, in dem er prompt mit einem lauten Platschen landete. Flügelschlagend gelang es ihm, sich eine Zeit lang über Wasser zu halten, aber schließlich saugten seine Federn sich voll, und er ging unter.
Abby erreichte im Laufschritt das
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