Späte Heimkehr
ein netter Bursche zu sein. Ist er der Älteste?« McBride wusste, dass der älteste Sohn eines Farmers dem Vater üblicherweise zur Hand ging.
»Nein, er ist der Einzige«, erwiderte Pemberton.
»Auch keine Mädchen?«
»Nein.«
McBride verstand den Wink und fragte nicht weiter.
»Da fällt mir ein«, wechselte Pemberton das Thema: »Hätten Ihre Mädchen vielleicht Spaß an ein paar Hühnern? Ich habe heute in der Stadt eine Kiste mit Küken angeboten bekommen.«
»Das würde ihnen sicher gefallen. Und die Eier könnten wir auch gebrauchen. Gwen backt sehr gern.«
»Dann schicken Sie doch eines der Kinder zu uns hoch, um sie abzuholen. Meine Frau hat sie irgendwo im Hof hinter der Küche untergebracht.«
McBride schlenderte zum Haus zurück, aus dessen Schornstein Rauch aufstieg. Der Duft von frisch gebackenem Kuchen wehte von der Küche her, und die Zwillinge schubsten abwechselnd den kleinen Brian an, der auf der an einem Ast des Maulbeerbaums angebrachten neuen Schaukel saß. Abby kauerte, das Kinn in die Hand gestützt, auf der Hintertreppe und sah ihnen beim Spielen zu.
»Hallo, Rasselbande. Wo ist Kev?«
»Hackt gerade Brennholz für Mama«, antwortete Abby. »Du siehst so zufrieden aus, Daddy.«
»Rutsch mal rüber.« Er zwängte sich neben sie auf die alte, verwitterte Holztreppe und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Gefällt's dir hier? Ich weiß, viel zu tun gibt es nicht für dich, aber du kannst deiner Mutter eine Zeit lang unter die Arme greifen. Ich bin mir sicher, es findet sich bald eine Arbeit.« Er drückte sie kurz an sich.
Abby lächelte ihn liebevoll an. »Es ist schön hier. Mama fühlt sich sehr wohl. Und wenn die Kleinen erst einmal in der Schule sind, fange ich an, mich nach einer Arbeit umzusehen. Mach dir um mich keine Sorgen, Dad.«
»Du bist ein gutes Mädchen, Abby. Nie beklagst du dich. Aber manchmal solltest du auch an dich selbst denken, Liebling. Nicht immer nur an die anderen.«
»Wenn's drauf ankommt, tue ich das schon.«
»Erzähl mal, was hast du heute unternommen?«
»Ich habe die Gegend erkundet. Bin ein bisschen den Bach hinaufgegangen. Da gibt's eine prima Stelle zum Schwimmen …« Beim Gedanken an den Jungen – oder vielmehr den Mann – auf dem Pferd, vor dem sie weggerannt war, wurde Abby wieder ganz heiß, und sie schwieg für einen Moment. Wahrscheinlich hielt er sie für völlig unreif, für eine alberne Gans. Als sie jetzt darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass er sie schon länger beobachtet haben musste. Vermutlich hatte er gehofft, sie würde ganz nackt baden gehen.
»Sag mal, was geht dir denn durch den Kopf? Du machst ein Gesicht wie hundert Tage Regenwetter. Stimmt irgendwas nicht?«
»Ach, es ist nichts. Unterwegs ist mir so ein Junge auf einem Pferd begegnet. Ich habe mich nur ein bisschen erschreckt, das ist alles.«
»Aha, das muss Barney Holten gewesen sein. Der war wegen mir da.«
Abby zuckte zusammen. »Wieso das denn? Wer ist er?«
»Seinem Vater gehört die Nachbarfarm, Amba. Sie haben mir einen Job als Scherer angeboten. Das ist gutes Geld. Deine Mutter weiß noch gar nichts davon.«
»Und was wird mit deiner Arbeit hier?« Abby sah besorgt aus.
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Schatz. Mr. Pemberton ist einverstanden. Ich kann während der Schersaison für die Holtens arbeiten. Finde ich sehr anständig von ihm.«
»Wahrscheinlich hat er gemerkt, was für ein guter Arbeiter du bist, und will dich nicht verlieren«, sagte Abby liebevoll.
Sie wusste, wie geschickt ihr Vater war und dass er nichts dafür konnte, dass seine Arbeitsverhältnisse häufig nicht von Dauer waren, sodass die Familie oft umziehen musste. Sie war voller Bewunderung für die unerschütterliche gute Laune ihrer Mutter, die fest hinter ihrem Vater stand. Ganz egal, was auch passierte, sie hielt immer zu ihm und beklagte sich nur ganz selten. Die Familie hatte schon an so vielen Orten gelebt, und trotzdem war die Ehe ihrer Eltern liebevoll, intakt und glücklich geblieben. Abby hoffte, dass auch sie eines Tages einen Mann kennen lernen würde, der diese Loyalität und Hingabe in ihr erwecken konnte.
Bob McBride erhob sich. »So, jetzt suche ich besser mal nach deiner Mutter und erzähle ihr die Neuigkeiten. Hmmm, das duftet aber lecker.« Er drehte sich noch einmal um. »Wir bekommen übrigens Familienzuwachs. Pemberton hat ein paar Hühner für uns. Du wirst mir helfen müssen, einen Stall zu bauen.«
Abby klatschte in die Hände.
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