Späte Heimkehr
predigen doch selbst immer, wie wichtig ein harmonisches Familienleben ist. Ich habe meine Familie hier, sie akzeptiert mich und steht zu mir und dem Kind. Ich glaube, dass meine Eltern wahre Christen sind, und mehr ist dazu wohl nicht zu sagen.«
Aber so schnell gab der Priester nicht auf. »Was ist mit dem Vater? Steht er denn zu dir? Ist es gerecht, dass dieses Kind mit dem Stigma der Unehelichkeit in die Welt tritt?«
»Ich begreife nicht, was das alles mit dem Vater zu tun haben soll, schließlich werde ich das Kind selbst aufziehen.«
»Aber selbstverständlich spielt das eine Rolle, mein Kind. Wenn er nicht bereit ist, seinen Pflichten nachzukommen, ist das nur ein weiterer Grund, darüber nachzudenken, ob es nicht besser wäre, das Kind in eine sichere und intakte Familie zu geben.«
Abby sprang auf. »Mama, ich glaube, ich sollte jetzt nach Brian sehen. Danke für Ihren Besuch, Herr Pfarrer.« Sie gab dem verdatterten Priester die Hand und stürzte aus dem Zimmer.
»Sie ist eine sehr entschlossene junge Frau«, erklärte Gwen, die insgeheim stolz auf ihre Tochter war. »Das Kind wird in einem sicheren, intakten und liebevollen Zuhause aufwachsen. Es ist sehr nett, dass Sie sich die Mühe gemacht haben herzukommen, Herr Pfarrer, aber Abby wird sich von niemandem umstimmen lassen.«
Als Mr. Richards von Amba nach Anglesea zurückfuhr, begegnete ihm unterwegs der Wagen des Priesters. Am Tor angekommen, erblickte er Abby auf dem Feldweg. Sie ging schnell zum Gatter und öffnete es für ihn. Er fuhr hindurch, stieg aus dem Wagen, lehnte sich gegen den Zaun und betrachtete die im Licht der Abendsonne vor ihm liegende Landschaft.
»Eine schöne Stimmung ist das um diese Zeit … wie war dein Tag? Deiner Miene nach zu urteilen, würde ich sagen, nicht allzu gut«, vermutete er lächelnd.
»Man sieht es mir wirklich an, was? Ja, ich hatte heute meinen letzten Arbeitstag.«
»Ach so. In deinem Leben gerät also einiges in Bewegung. Hoffentlich geht's vorwärts.«
»Auf jeden Fall in eine neue Richtung. Ich bekomme nämlich ein Baby«, sagte Abby etwas verschämt.
»Aha.« Mr. Richards schien nicht überrascht. »Und du hast dich dazu entschlossen, jetzt schon aufzuhören zu arbeiten, obwohl es im Grunde noch nicht nötig ist.«
»Stimmt. Mir wurde es einfach zu viel. Vielleicht bin ich ja ein Feigling, aber ich habe die ständigen Blicke und das Geflüster hinter meinem Rücken einfach nicht mehr ausgehalten. Ich habe das Gefühl, am Pranger zu stehen.«
Mr. Richards lachte. »Fühlst du dich denn wie eine Sünderin?«
Abby schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, nein. Ich finde nicht, dass ich einen Fehler gemacht habe, nur die anderen geben mir das Gefühl, etwas Schmutziges getan zu haben und mich schämen zu müssen. Dabei glaube ich sogar, dass ich Glück habe. Großes Glück.«
»Und der Vater, hält der sich auch für glücklich?«
»Ich glaube schon. Er möchte, dass wir heiraten, aber ich habe nein gesagt.«
»Liebt ihr euch?«
»Ja.«
»Will er dich wegen des Kindes heiraten?«
»Nein, das ist es nicht«, sagte Abby eilig. »Aber er ist bereit, dafür auf alles zu verzichten – auf seine Familie, sein Erbe, seine Zukunft –, und das kann ich nicht zulassen.«
»Dann muss er dich wirklich lieben. So wie du ganz offensichtlich auch ihn liebst. Liebe und Schmerz gehören zusammen. Du glaubst wohl wie früher die Ritter, dass Liebe erst auf die Probe gestellt werden muss. Und ganz egal, ob ihr euch gegenseitig eure Liebe beweisen könnt oder nicht, du wirst das Kind behalten, es allein aufziehen und dem Vater verweigern, was er sich am sehnlichsten wünscht?«
Abby sah ihn verzweifelt an. »Ich dachte, es sei das Beste so. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto weniger weiß ich, was richtig ist.«
Mr. Richards blickte in die Ferne. »Als wir uns vor kurzem abends unterhalten haben, habe ich dir gesagt, du solltest vielleicht deinem Herzen folgen und nicht deinem Verstand. Auf den sollte man gelegentlich schon hören, aber in Liebesangelegenheiten regiert immer das Herz. Du glaubst, dass deine Liebe im Konflikt zu deinem Leben und deinem Glauben steht, dabei solltest du sie vielmehr als ein inneres Erblühen empfinden, durch das dein Leben bereichert wird.«
»Was ich empfinde, spielt doch keine Rolle, wenn fast alle anderer Meinung sind und sich auch dementsprechend verhalten.«
»Aber natürlich spielt es eine Rolle, was du empfindest.«
Abby wartete darauf, dass
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