Späte Heimkehr
er weitersprach, aber dann sah sie, dass er ganz in das Anzünden seiner Pfeife vertieft war. Sie schwieg und dachte über seine Worte nach: »Ein inneres Erblühen, durch das dein Leben bereichert wird.« Als er ein Streichholz entzündete und an die Pfeife hielt, sah sie zu ihm auf. Wie schön er das gesagt hatte. Sie sind ein merkwürdiger Mann, Mr. Richards, dachte sie still für sich.
»Du findest es bestimmt merkwürdig, von einem alten Kauz wie mir solche Worte zu hören, was?«
Abby war zu verblüfft, um zu antworten. Es war, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Statt etwas zu sagen, lächelte sie nur sanft.
»Tja, man bekommt nicht jeden Tag Gelegenheit, die Dinge loszuwerden, über die man sich an unzähligen Lagerfeuern so seine Gedanken gemacht hat. Also, ich stelle mir das ungefähr so vor: Die Menschheit setzt sich aus lauter einzelnen Wesen zusammen, und jedes von ihnen muss seinen eigenen Weg gehen und dabei immer auf sein Herz hören und sich vom Kopf leiten lassen.« Er zog an seiner Pfeife. »Es ist der Kopf, der uns die Fesseln des Verstandes anlegt, während wir durchs Leben gehen. Wenn wir Glück haben, begegnen wir eines Tages unserer anderen Hälfte … unserem Lebenspartner. Beide Hälften ergänzen sich, bilden zusammen ein neues Ganzes, und das Leben bekommt einen neuen Sinn. Puh, das war jetzt eine richtige kleine Abendpredigt, die du von mir zu hören bekommen hast, was?«
Beide lachten, lehnten sich einen Moment lang gegen den Zaun und nahmen die wundervolle Stimmung des Sonnenuntergangs in sich auf. Schließlich brach Mr. Richards das Schweigen wieder. »Manchmal lösen sich Probleme ganz unerwartet von selbst. Wenn man die Zügel locker lässt, findet das Pferd ja auch in den Stall zurück, nicht wahr?«
Auf der Fahrt zum Haus erzählte Mr. Richards, dass er vorhabe, schon am folgenden Tag weiterzuziehen. Die Überraschung und die Enttäuschung über diese Ankündigung waren Abby deutlich vom Gesicht abzulesen. Die Gespräche mit ihm bedeuteten ihr viel, und sie fand, dass er mit seiner warmherzigen Art gut zur Familie passte.
»Sie werden mir fehlen, Mr. Richards. Uns allen werden Sie fehlen.«
»Nett, dass du das sagst, Abby. Aber ich tauche bestimmt mal wieder auf.«
An diesem Abend servierte Gwen als Abschiedsessen einen Braten, und die Kleinen durften länger aufbleiben, um mit Mr. Richards und den anderen zu singen und Rätselspiele zu machen. Bevor sie ins Bett gingen, setzten sich Gwen, Bob und Mr. Richards noch mit einem Bier auf die dunkle Veranda, lauschten den Geräuschen der Nacht und blickten in den Sternenhimmel.
»Ich werde mich noch vor Sonnenaufgang auf den Weg machen«, kündigte Mr. Richards an. »Vielen Dank für Ihre Hilfe und Gastfreundschaft. Es war sehr schön, eine Zeit lang zur Familie zu gehören. Ich werde mich eines Tages revanchieren.«
»Dazu besteht gar keine Veranlassung. Wir haben uns gefreut, Sie bei uns zu haben«, lächelte Gwen.
»Sie waren ein guter Kumpel«, sagte Bob.
Mr. Richards hielt Wort und war bereits abgereist, als Bob im Morgengrauen aufstand. Schon ein merkwürdiger Bursche, dachte er, schürte die Asche und legte Brennholz nach. Obwohl wir praktisch nichts über ihn wissen, haben wir ihn aufgenommen, als würden wir ihn schon ein Leben lang kennen. Bob öffnete die Tür zum Hof und erblickte auf der Treppe eine kleine Schachtel. Er hob sie auf, stellte sie auf den Küchentisch und öffnete sie. Eine wunderschön geschnitzte Spielzeuglokomotive lag darin. Auf den Deckel der Schachtel hatte Mr. Richards geschrieben:
Für Abbys Baby.
Mr. Richards hatte es nicht weit. Er fuhr nach Amba und wartete dort lesend und pfeiferauchend im Busch, bis die Sonne hoch genug stand und er davon ausgehen konnte, dass das Frühstück im Haupthaus beendet war.
Phillip war überrascht, ihn auf der Hintertreppe stehen zu sehen, als er mit seiner Tasse Kaffee in der Hand nach draußen trat. Durch die Tür drang Musik vom Plattenspieler nach draußen.
»Musik von Edward Elgar«, bemerkte Mr. Richards. »Guten Morgen.«
»Stimmt«, sagte Phillip. »Kennen Sie sich mit Musik aus?«
»Ich habe das eine oder andere Konzert besucht.«
»Trinken Sie doch eine Tasse Kaffee mit«, schlug Phillip vor, der die Regeln der Gastfreundschaft stets strikt beachtete.
In der Bibliothek nahm Mr. Richards ein Buch in die Hand, das dort auf einem Stuhl lag, und blätterte etwas darin herum, während Phillip den Kaffee eingoss. »Proust.
Auf
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