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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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wohnte ihr jedoch bei, um sich bei Bedarf einschalten zu können.
    Schweigend saß Alex da, während Lieutenant Kropf, ein großer, dünner Mann, der die Ermittlungen leitete, Claymore mit seiner aggressiven, schnellfeuerartigen Befragungsmethode aus dem Konzept zu bringen versuchte.
    »Sie geben also zu, dass Sie niemand zum fraglichen Zeitpunkt zu Hause gesehen hat?«, bellte Kropf.
    Alex hätte dem Lieutenant gern gesagt, dass er seine Zeit vergeudete; er hatte seine Antwort bereits erhalten und wiederholte die Frage dennoch bis zum Erbrechen. Aber Claymore streckte die Hand aus und hielt ihn zurück.
    »Mit zugeben hat das nichts zu tun«, antwortete er in bemüht ruhigem Tonfall. »Ich war allein. Das ist eine Tatsache. Es ist kein Verbrechen, allein zu sein.«
    »Nein, aber es hilft, wenn man ein Alibi hat.«
    »Glauben Sie, das wüsste ich nicht?«, fragte Claymore ironisch.
    In der angespannten Stille, die nun folgte, sah sich Claymore im kahlen Befragungsraum um. Die Einrichtung beschränkte sich auf einen Tisch und drei Stühle, einen für den Lieutenant und je einen für Claymore und Alex. Licht drang nur durch ein hohes, nah an der Zimmerdecke liegendes Fenster herein.
    Ein weiterer Polizist stand neben der Tür, beteiligte sich jedoch nicht am Verhör. Er war anwesend, falls der Verdächtige beschloss, »körperlich« zu werden. Außerdem diente er als Zeuge, um den Lieutenant vor falschen Anschuldigungen zu schützen. Obwohl die Befragung mit Claymores Einwilligung gefilmt wurde und auf der anderen Seite der Spiegelglasscheibe ein Techniker saß, gab es Momente – beim Betreten und Verlassen des Raums –, in denen sich der Verdächtige außerhalb des aufmerksamen Kameraauges befand.
    »Fällt Ihnen irgendetwas anderes ein, womit Sie beweisen könnten, dass Sie zu Hause waren?«
    »Was zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel ein Telefongespräch? Hat Sie jemand angerufen? Haben Sie jemanden angerufen?«
    Claymore schüttelte den Kopf. Das monotone Brummen der Klimaanlage forderte allmählich seinen Tribut. Es nervte noch mehr als das monotone Brummen von Lieutenant Kropfs Stimme während des gleichmäßigen Dahinplätscherns seiner Fragen, in denen mehr als nur die Andeutung einer Drohung lag.
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Wenn Sie von Ihrem Apparat aus angerufen haben, taucht der Anruf auf Ihrer Telefonrechnung auf. Heutzutage ist das alles digitalisiert, Sie sollten also einen Einzelverbindungsnachweis anfordern.«
    Alex spürte, dass der Lieutenant ihnen tatsächlich helfen wollte, ganz so, als glaubte er selbst nicht, dass Claymore schuldig war.
    »Okay«, fuhr Kropf fort. »Wenn Sie sich Ihrer Sache ganz sicher sind, können wir den Einzelnachweis jetzt gleich anfordern.«
    Der Lieutenant blickte Alex an, während er das sagte.
    »Um diese Zeit?«, fragte Alex skeptisch und sah auf die Uhr.
    »Ich kenne einen netten Richter, den wir fragen könnten.«
    »Und Sie glauben, die Telefongesellschaft setzt heute Nacht noch alle Hebel in Bewegung, nur weil wir mit einer richterlichen Anordnung winken? Jetzt bleiben Sie mal realistisch!«
    Alex wusste genau, was der Lieutenant mit der Aktion bezweckte. Es war zwar keine rechtsverbindliche Unschuldsprobe, aber eine gute Möglichkeit herauszufinden, ob er seine Zeit mit einem todsicheren Verlierer vergeudete oder nicht.
    »Okay«, sagte Kropf schließlich. »Wir werden keine Anklage gegen Ihren Mandanten erheben.«
    Claymore stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Zumindest nicht sofort. Wir warten, bis die DNA-Ergebnisse da sind, und sehen dann weiter.«
    Alex lächelte. Es sah aus, als wäre der Sturm wieder abgeebbt, noch bevor er aufs Festland traf. Aber ihm war Kropfs selbstgefälliger Gesichtsausdruck nicht entgangen. Der Lieutenant wirkte ganz so, als hätte er noch ein Ass im Ärmel.
    »Nur noch eine Frage, Mr Claymore: Was für ein Auto fahren Sie?«
    »Die letzten Tage bin ich nur Taxi gefahren.«
    »Aus einem bestimmten Grund?«
    »Mein Auto wurde gestohlen.«
    »Haben Sie den Diebstahl gemeldet?«
    »Noch nicht. Ich hatte keine Zeit.«
    »Welche Marke hat Ihr Auto?«
    »Es ist ein Mercedes.«
    »Welche Farbe?«
    »Blau.«
    »Ein blauer Mercedes?«
    »Aquamarin, wenn Sie es genau wissen wollen.«

Freitag, 5. Juni 2009 – 19.30 Uhr
    »So langsam glaube ich, dass sich gar nichts geändert hat«, stieß Andi erbittert hervor.
    Sie saßen auf der Veranda ihres Hauses und aßen unter freiem Himmel in der kalifornischen Abendsonne.
    »Wie meinst
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