Späte Sühne - Island-Krimi
zu den Akten gelegt wird. Diese Bandaufnahme wird zusammen mit dem schriftlichen Geständnis aufbewahrt.
Ich weiß, dass ich wegen Mordes angeklagt werde, falls ich noch lebe, wenn die Sache ans Licht kommt. Das Urteil über mich ist allerdings schon lange gefallen, deswegen brauche ich mir wohl keine Gedanken darüber zu machen, dass ich ins Gefängnis komme. Dazu bin ich viel zu krank, und es würde auch niemandem etwas nutzen, mich im Krankenhaus unter Arrest zu stellen. Meiner Meinung nach ist Hausarrest eine gerechte Strafe für mich, bis mich der Leichenbestatter holt. Das wird nicht mehr lange dauern. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
Die Aufzeichnung war zu Ende, und Birkir spulte die Kassette zurück. Er sah Rakel an.
»Du kennst Fabían gut, nicht wahr?«, fragte Birkir.
»Ja, wahrscheinlich schon. Besser als alle anderen, denke ich.«
»Glaubst du, dass er imstande war, das zu tun, was er auf der Kassette beschrieben hat?«
»Fabían ist nie imstande gewesen, schwere körperliche Arbeit zu verrichten«, sagte Rakel. »Der arme Mensch hat dazu gar keine Kraft. In meiner Arbeit mit Drogenabhängigen und geistig Kranken habe ich aber erlebt, dass auch Menschen, denen man es nie zutrauen würde, gewalttätig werden können, wenn sie sich dazu gezwungen fühlen. Ich bin überzeugt, dass Fabían imstande gewesen ist zuzustechen, wenn er das Gefühl gehabt hat, dass es notwendig war.«
»Würdest du das auch vor Gericht bezeugen?«
»Selbstverständlich war ich nicht bei dieser Tat dabei, aber ich habe meine Unterschrift unter dieses Geständnis gesetzt. Dazu wurde er nicht gezwungen, und er war bei klarem Verstand. Er hat es direkt nach seiner Rückkehr getan, weil er nie sicher sein kann, den nächsten Tag noch zu erleben. Und nach deinem ersten Besuch hat er seine Geschichte auf Band gesprochen. Ich habe seine blutbespritzte Jacke und das Hemd sofort zusammengepackt und in der Gefriertruhe aufbewahrt. Die Sachen bestätigen seine Aussage. Er wollte unter gar keinen Umständen, dass jemand anderes beschuldigt wird.«
»Ich glaube, ich muss ihn doch noch einmal stören«, sagte Birkir.
»Dann tu das. Es ist in solch schwerwiegenden Fällen unvermeidlich, dass nachgefragt wird. Damit muss Fabían sich abfinden.«
Nach einem kleinen Zögern fragte Birkir: »Wir untersuchen auch einen anderen Mordfall, der mit diesem in Verbindung steht. Weißt du etwas darüber?«
»Einen anderen Mord? Großer Gott, nein. Fabían hat seit seiner Rückkehr das Haus nicht verlassen. Es kann nichts damit zu tun haben.«
11:00
Während Gunnar sich das zweite Brötchen hineinstopfte, versuchte er ein paar Mal, Birkir auf seinem Handy zu erreichen, es meldete sich aber immer nur die Voicemail. Deswegen rief er Dóra an.
»Organisier dir ein Auto und hol mich ab«, erklärte er, nachdem er ihr gesagt hatte, wo er sich befand.
Dóra protestierte. Sie war damit beschäftigt, die Untersuchungsergebnisse vom Tatort in Austurbrún auszuwerten.
»Nimm dir ein Taxi, fahr nach Hause und gönn dir etwas Ruhe«, sagte sie. »Du musst erstmal wieder gesund werden.«
»Bitte«, sagte Gunnar. »Ich muss einer Vermutung auf den Grund gehen. Wenn sie stimmt, finden wir Magnús.«
»Hör zu, die Sache untersteht dem Polizeipräsidenten«, entgegnete Dóra. »Wenn du wirklich etwas weißt, schickt er die Leute vom SEK hin.«
»Ich weiß ja nicht, ob ich etwas weiß. Es ist nur so eine Eingebung. Ich muss das erst überprüfen, und dann setze ich den Polizeipräsidenten in Kenntnis. Versprochen.«
»Du spinnst ja«, sagte Dóra.
»Ich weiß, dass ich spinne«, sagte Gunnar, aber da hatte Dóra bereits aufgelegt.
»Scheiße«, sagte Gunnar und sah Emil an. »Hör zu, Kumpel, hast du einen Führerschein?«
Der Schriftsteller lachte. »Autofahren ist wohl die menschenunwürdigste Beschäftigung, die jemals erfunden wurde«, sagte er. »Im Übrigen verlasse ich auch Reykjavík 101 nie. Nein, ich habe keinen Führerschein.«
11:20
Fabían saß rauchend im Bett, als Birkir ins Zimmer kam.
»Guten Tag«, flüsterte er.
»Guten Tag«, antwortete Birkir und setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Er schwieg eine Weile und sagte dann: »Rakel hat mir den Umschlag mit deinem Geständnis und der Kassette ausgehändigt.«
»Das ist gut. Es hat mir schwer auf der Seele gelegen. Hast du dir die Aufnahme schon angehört?«
»Ja, aber ich brauche noch ein paar genauere Informationen. Traust du dir das Sprechen zu?«
»Ich werde mich
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