Späte Sühne - Island-Krimi
Birkir.
»Botschaftsrat Arngrímur Ingason hat in der vergangenen Nacht den Ministerialdirigenten angerufen, um ihn darüber zu informieren, was er beim Betreten der Botschaft vorfand. Der Ministerialdirigent beraumte daraufhin gestern in aller Herrgottsfrühe ein Krisentreffen an, und es wurde beschlossen, dass wir der Sache erst einmal selber auf den Grund gehen.«
»Und was hat er vorgefunden?«
»Einen Mann mit einem Messer im Bauch im Büro des Botschafters.«
»Wer ist dieser Mann?«
»Sein Name ist Anton Eiríksson, und er war ein alter Bekannter des Botschafters. Ein Mann mit viel Geld, der als irgendeine Art von Handelsagent vor allem in Asien tätig war.«
»Weshalb wurde nicht die deutsche Polizei mit dem Fall betraut?«
»Die Sache sieht nicht gut für den Botschafter aus. Er hat in der Nacht zum Montag eine Party in der Botschaft veranstaltet. So etwas ist normalerweise nicht gestattet, und er wird sich dafür verantworten müssen.«
»Was für eine Einladung war das?«, fragte Birkir.
»Am Nachmittag hatte der Botschafter zu einer Dichterlesung im gemeinsamen Veranstaltungssaal der Nordischen Botschaften eingeladen. Anschließend ist er anscheinend mit einer kleinen Gruppe in das Botschaftsgebäude gegangen. Angeblich handelte es sich um eine Art von Besprechung. Danach hat er Essen aus einem Restaurant bestellt. Das ist aber völlig unstatthaft, für solche Einladungen ist die Botschaft nicht gedacht. Die Residenz des Botschafters dagegen ist speziell für solche Zwecke eingerichtet. Er hätte die Gäste dorthin einladen oder in ein Restaurant gehen müssen, wenn es dazu einen Anlass gab.«
»Weißt du, weshalb er die Botschaft vorgezogen hat?«, fragte Birkir.
»Nein. Das ist eine von vielen Fragen, auf die wir eine Antwort erhalten müssen. Nach dem Essen haben die Leute bis kurz nach zwei weitergetrunken, und als die Gesellschaft endlich aufbrach, hat der Botschafter anscheinend vergessen, die Gäste beim Hinausgehen zu zählen. Die deutschen Sicherheitsbeauftragten stellten fest, dass einer der Gäste noch in der Botschaft sein musste, und setzten sich mit Botschaftsrat Arngrímur in Verbindung.«
»Wie viele Leute waren es insgesamt?«, war Birkirs nächste Frage.
»Erst waren es acht, aber kurz nach elf stieß die Frau des Botschafters hinzu, und dann waren sie neun. Arngrímur hat gestern die Namensliste gefaxt. Die Kontrolle in den Nordischen Botschaften erfasst alle Gäste, die durch die Sicherheitsschranke eingelassen werden. Die Pässe der Gäste werden eingezogen, solange sie sich im Gebäude befinden, und sie werden namentlich von den Sicherheitsbeauftragten eingetragen. Alle Gäste waren isländischer Nationalität, und das ist einer der Gründe, weshalb wir die Sache intern behandeln wollen.«
»Was für Leute stehen da auf der Liste?«
»Zunächst der Botschafter und seine Frau«, antwortete Sigmundur. Er schwieg, während die Maschine über die Startbahn donnerte und sich in die Lüfte erhob. Als sie bereits eine gute Höhe erreicht hatten, fragte er: »Kennst du sie?«
»Ich habe von dem Mann gehört«, sagte Birkir. »Er war in der Politik.«
»Ja, genau, ich nenne dir kurz ein paar Einzelheiten. Konráð Björnsson ist seit rund einem Jahr Botschafter in Berlin, und davor war er zwanzig Jahre lang Parlamentsabgeordneter. Auf dem Parteitag stellte er sich gegen den amtierenden Parteivorsitzenden zur Wahl und hätte ihn beinahe aus dem Feld geschlagen, da fehlte nur eine Stimme.«
»Daran kann ich mich erinnern«, sagte Birkir.
»Ja, es war ein denkwürdiges Wochenende in der Politik«, sagte Sigmundur. »Zwei Monate später war die Partei trotz schwerer Wahlverluste völlig überraschend Partner in einer neuen Regierungskoalition. Konráð kam allerdings nicht für einen Ministerposten in Frage, und da wurde diese Lösung gefunden, ihn als Botschafter nach Berlin zu schicken. In seinen jüngeren Jahren hat er nämlich an einer landwirtschaftlichen Hochschule in der DDR studiert und spricht deshalb leidlich gut Deutsch.«
»Hat sich diese Maßnahme bewährt?«, fragte Birkir.
»Bislang ohne nennenswerte Pannen. Arngrímur Ingason steht ihm zur Seite, er ist der erfahrenste und zuverlässigste Botschaftsrat im auswärtigen Dienst und seit etlichen Jahren in der Berliner Botschaft tätig. Er hat die gesamten Arbeitsabläufe im Griff und dafür gesorgt, dass es nie zu nennenswerten Problemen kam. Bis gestern.«
»Was meinst du mit ohne nennenswerte Pannen?«
»Im
Weitere Kostenlose Bücher