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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Birkir.
    »Nein.«
    »Hatte ich auch nicht erwartet«, sagte Birkir. »Ich wollte nur noch einmal kurz mit den Leuten sprechen.«
    »Tu das«, sagte der Mann gähnend.
    Im Jónshús brannte nur in einem Zimmer ein schwaches Licht, und er konnte Rakel hinter der Scheibe erkennen.
    Er durchquerte den dunklen Garten mit vorsichtigen Schritten und stieg die Treppen zur Haustür hinauf. Das Außenlicht war ausgeschaltet. Er tastete nach der Klingel und läutete kurz. Wenig später ging das Licht über ihm an, und jemand spähte durch die Gardinen in dem kleinen Fenster neben der Haustür. Birkir klopfte. »Kriminalpolizei, Birkir Li Hinriksson.«
    Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Rakel blickte ihn an.
    »Entschuldige die Störung«, sagte Birkir.
    »Was willst du?«, fragte Rakel. »Ich habe nichts von Jón gehört, und Fabían schläft. Ich musste ihm ein starkes Schmerzmittel verabreichen.«
    »Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen«, sagte Birkir.
    »Ach, tatsächlich? Da kann ich wahrscheinlich nicht Nein sagen.«
    »Ich wäre dir sehr dankbar.«
    Rakel öffnete die Tür ganz und trat einen Schritt zur Seite. »Komm herein. Wir werden sehen, ob ich deine Fragen beantworten kann.«
    Birkir betrat die dunkle Diele. Rakel trug einen warmen Hausmantel und ging vor ihm in die Wohnung. »Alle sind schon längst in ihren Zimmern«, sagte sie über die Schulter hinweg zu Birkir. »Meine lieben Hausgenossen waren heute Abend ziemlich bedrückt.«
    »Weshalb?«
    »Es liegt Unheil in der Luft.«
    »Wisst ihr, was das sein könnte?«
    »Nein, es ist nur so ein Gefühl.«
    Im Wohnzimmer brannte das Feuer im Kamin nieder, und Rakel legte zwei Holzscheite auf die Glut. Leise Musik erklang aus einer alten Stereoanlage. Auf einem Plattenspieler drehte sich knisternd und rauschend eine verkratzte Vinylplatte. Birkir kannte das Lied, konnte sich aber nicht auf die Interpretin besinnen.
    »Wer singt da?«, fragte er.
    »Joni Mitchell. Die Platte heißt Blue und ist von 1971. Das ist meine Musik, die alten Hippieplatten. Wir besitzen eine ganz hübsche kleine Sammlung.«
    »Und du hast dir das gerade angehört. Entschuldige, dass ich dich gestört habe.«
    »Ich hab hier ganz allein gesessen und nachgedacht«, sagte Rakel und bedeutete Birkir, sich zu setzen. »Es passiert so viel. Die Zeiten sind so anders geworden.«
    Sie sang leise mit: »Blue songs are like tattoos«, verstummte aber nach einer Zeile.
    »Diese Hippiekultur bedeutete dir viel?«, fragte Birkir.
    »Die Hippies hatten die schönsten Ideale des vergangenen Jahrhunderts, doch es ist auch vieles schiefgelaufen. Woodstock stellte in gewissem Sinne den Höhepunkt dieser Zeit dar, und die Morde der Manson Family waren der absolute Tiefpunkt, tiefer konnte man nicht sinken. Beides geschah in ein und derselben Woche, im August 1969. Nur wenige waren imstande, richtig mit der Freiheit umzugehen, die die Hippies zu dieser Zeit für sich und andere beanspruchten. Leider. Ich versuche, mich an die schönen Erinnerungen zu halten.«
    »Du machst dir Sorgen wegen Jón, nicht wahr?«, fragte Birkir.
    »Ja.«
    »Er ist in letzter Zeit nicht im Gleichgewicht gewesen?«
    »Er war unruhig und rastlos.«
    »Sind das Voranzeichen für seine manischen Anfälle?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht. Auf jeden Fall ist er nicht im Gleichgewicht. Normalerweise leidet er nicht unter psychischen Schwankungen, höchstens, wenn er zu viel oder zu lange trinkt. Er hat aber in den letzten Tagen keinen Alkohol angerührt. Er hat auch überhaupt nicht mit uns gesprochen. In seinen manischen Phasen hat er aber normalerweise einen starken Rededrang und ist übertrieben gesellig.«
    Birkir sagte: »Soweit ich weiß, habt ihr alle, die ihr in Sandgil mit Sunna zusammengelebt habt, unbedingt ein Treffen mit dem damaligen Bezirksamtmann Arngrímur Esjar herbeiführen wollen. Helgi hat mir die ganze Geschichte erzählt. Führt Jón da einen Plan aus, von dem du nichts weißt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Findest du das nicht wahrscheinlich?«
    »Vielleicht.«
    »Was wolltet ihr mit Arngrímur machen?«
    »Ich weiß es nicht, denn in den letzten Jahren haben sie mich nicht mehr in ihre Pläne eingeweiht. Mir ging es immer darum, vorsichtig vorzugehen. In ihren Augen war das Angst.«
    »Aber du hättest auch ein Geständnis von Arngrímur haben wollen?«
    »Ja, es wäre gut gewesen. Wir sind alle durch dieses Ereignis gezeichnet. Wir haben es überlebt, jeder auf seine Weise, aber die Frage, weshalb es

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