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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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keinesfalls zu nahe treten. Helgi hat mir alles gesagt, was ich wissen muss, glaube ich.«
    »Das ist gut. Ich bin heute Abend etwas unmäßig im Rauchen gewesen, ich habe einen kleinen Rausch. Dann steht es nicht gut um mein Erinnerungsvermögen.«
    »Es ist heute Abend sehr friedlich in diesem Haus«, sagte Birkir.
    »Hier ist es immer friedlich. Nach acht wollen wir Ruhe haben. Die meisten gehen früh zu Bett.«
    »Heute Abend sind nur wenige zu Hause«, sagte Birkir.
    »Ja. Alle sind ausgegangen.«
    »Aber der Sonnendichter ist nicht bei ihnen. Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?«
    Fabían schüttelte den Kopf und wich Birkirs Blick aus. »Habe ich dir von Sunna erzählt?«, fragte er.
    »Ja, aber ich würde gern mehr hören.«
    Fabían sah Birkir an. »Sunna ist die wunderbarste Person, die ich auf meinem gesamten fragilen Lebensweg kennengelernt habe. Alles Böse war ihr fremd, sie war durch und durch gut und wollte für alle das Beste.« Die Worte kamen stockend, so als müsste er jedes einzelne abwägen, bevor er sich traute, es auszusprechen.
    »Wie hat sie ausgesehen?«, fragte Birkir, als Fabían nichts mehr sagte.
    »Ausgesehen?«, wiederholte Fabían, die Frage überraschte ihn anscheinend. Nach einigem Überlegen sagte er: »Es ist ziemlich geistlos zu sagen, dass sie schön war. Sie hatte rote Haare und war ein bisschen sommersprossig. Aber trotz ihrer Stupsnase und dem schiefen Schneidezahn hätte sie mit ihren grünen Augen und dem Lächeln, das einen ins Herz traf, jede Schönheitskönigin in den Schatten gestellt.«
    »Sie konnte auch gut singen, habe ich gehört«, sagte Birkir.
    »Ja, das konnte sie. Ihre Stimme war ziemlich tief, aber so melodisch und rein, dass eine Begleitung eigentlich überflüssig war. Trotzdem hat sie Gitarre dazu gespielt, sie hatte diese angeborenen Fähigkeiten. Viele Griffe kannte sie nicht, aber das brauchte sie auch gar nicht, denn sie schaffte es, damit Töne und Melodien hervorzuzaubern, auf die auch professionelle Komponisten stolz gewesen wären.«
    »Ich habe gehört, dass ihr Tod dich völlig aus der Bahn geworfen hat«, sagte Birkir.
    Fabían antwortete sehr langsam. »Dieses Kind der Sonne musste aus irgendwelchen unbegreiflichen Gründen sterben, und wir, ihre Freunde, wurden nie wieder das, was wir vorher gewesen waren. Weshalb musste das geschehen, und was hätten wir tun können, um diese Schrecknisse abzuwenden? Das ist die Frage, mit der wir abends einschlafen und morgens aufwachen. Jemand, der ein solches Wesen kennenlernen durfte, und dem es durch einen vollkommen sinnlosen Tod genommen wird, verliert jegliche Orientierung im Leben.«
    Fabían brach plötzlich ab, und sie schwiegen beide. Birkir wusste nicht, wie er auf diese Worte reagieren sollte. Schließlich fragte er: »Hast du vielleicht bemerkt, dass hier im Haus in letzter Zeit ungewöhnlich viele Leute ein- und ausgegangen sind?«
    Fabían sah Birkir verwundert an. »Hier ist nichts gewöhnlich oder ungewöhnlich«, sagte er. »Mal kommt einer, und mal geht einer. Wie der Mond, der zunimmt und abnimmt.«
    »Hast du den Sonnendichter heute Abend gesehen?«
    Ein schwaches Lächeln umspielte Fabíans Lippen. »Mein ganzes Leben lang haben mir die Leute Fragen gestellt. Wer bist du? Wo bist du? Wer steckt hinter der Dunkelheit? Vielleicht habe ich eine oder zwei mit Gewissheit beantworten können«, sagte er.
    Dóra steckte den Kopf zur Tür herein. »Wir finden hier niemand«, sagte sie. »Wir sind fast fertig mit dem Keller.«
    »Danke, dass du dich mit mir unterhalten hast«, sagte Birkir zu Fabían und stand auf.
    Vor der Tür wartete Rakel auf ihn. »Ich habe Angst«, sagte sie. »Ich weiß, dass du ein guter Mensch bist, deswegen kann ich im Vertrauen mit dir reden.«
    »Wovor hast du Angst?«, fragte Birkir.
    »Ich habe Angst um Jón. Ich glaube, er ist wieder einmal in einer manischen Phase, und es ist nicht gut, dass er nicht zu Hause ist. Wenn es so um ihn steht, weiß er unter Umständen nicht, was er tut.«
    »Und du hast keine Idee, wo er sich befinden könnte?«, fragte Birkir.
    »Nein. Er wurde am Samstagabend von irgendeinem Mann angerufen. Jón besitzt kein Handy, deswegen wird er immer unter unserer Festnetznummer angerufen, wenn jemand etwas von ihm will. Gestern Morgen hat er das Haus mit einem alten Kassettengerät verlassen, und seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen.«
    »Hast du gehört, um was es da in dem Gespräch ging?«
    »Nein. Jón hat eigentlich auch kaum

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