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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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wissen.«
    Delgado ließ den knapp eine Minute dauernden Film mehrmals durchlaufen. Schließlich drückte er in einem Moment auf Pause, der die Gesichtszüge von Frost in einer grotesken Fratze einfrieren ließ. Eine Totenmaske, von einem Beamer auf eine Leinwand geworfen. Delgado tippte auf seinem Laptop herum. Ein anderes Bild erschien. Wieder Frost, diesmal sah er lebendig aus.
    »Das Foto, das ihr hier seht, stammt aus seinem Personalausweis. Der ist 1982 ausgestellt worden. Dort steht, dasser in Hull, England, als Balthasar Melchior Frost geboren wurde. Polizeilich ist er nie auffällig geworden und hat auch nie die schwedische Staatsbürgerschaft beantragt. Unverheiratet, keine Kinder, zumindest keine behördlich bekannten. Es ist das aktuellste registrierte Bild von ihm, das ich bis jetzt auftreiben konnte. Aber hier seht ihr zwei neuere Fotos aus einer Reportage aus Smålands Posten von 2007. Im Linné-Jahr haben sie jeden vor die Kamera gezerrt, der irgendetwasmit Pflanzen oder Insekten oder Natur zu tun hatte undsich nicht wehren konnte. Dem Artikel zufolge züchtete er Schmetterlinge, unter anderem Seidenspinner. Die heißen so, weil sie Seide spinnen, wusstet ihr das? Die ernähren sich von Maulbeerbaumblättern.«
    »Davon stand sein ganzer Garten voll, Maulbeerbäume«, sagte Hultin.
    »Jedenfalls war er auf diesem Seidentrip, hat daraus auch tatsächlich Stoffe gemacht und bemalt und so etwas. Und aus den Maulbeerbäumen kann man Papier herstellen. Für diese japanische Kalligrafie.«
    »Dazu müssen wir diesen Axelsson morgen noch einmal befragen«, sagte Nyström.
    »Axelsson?«, fragte Knutsson.
    »Der, der ihn gefunden hat«, antwortete Delgado. »Noch so ein Seidenmaler. Aus England habe ich bisher nichts. Frosts gibt es allein in London Zigtausende, die kann man ja nicht alle durchtelefonieren. Ich habe mich also erst einmal auf die Zeit in Schweden konzentriert. Er ist 1949 ins Land gekommen und hat einige Jahre in der Region Blekinge gelebt, in Karlskrona. Hat dann angefangen, mit Wertpapieren zu handeln. Drei Jahre später ist er zu uns in die Region Kronoberg gezogen, erst nach Alvesta, dann in das Haus draußen hinter Dädesjö. Er ist im Grundbuch als Besitzer eingetragen, hat 64500 Kronen für das Haus bezahlt, damals ein Batzen Geld. Nach allem, was ich finden konnte, hat er bis Ende der Achtzigerjahre mit Aktien gehandelt, in den goldenen Jahren. Dazu brauchte er nicht viel mehr als ein Telefon und die richtigen Kontakte. Ich habe Mails zu verschiedenen kleineren Banken in Stockholm geschrieben, mal sehen, wann da etwas zurückkommt, aber zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Beruflich war dann wohl Schluss. Ich denke, er hat sich mehr und mehr um sein Hobby gekümmert. Es gibt ab Anfang der Neunzigerjahre ein paar von ihm veröffentlichte Artikel in Fachzeitschriften. Insekten, Käfer, vor allem Schmetterlinge. So ein Zeug halt.«
    Delgado klappte seinen Laptop zu und stöpselte ihn aus.
    »Mehr habe ich vorläufig noch nicht zu bieten.«
    Nyström war dankbar, dass sie Delgado in ihrem Team hatte. Er war schlau, arbeitete schnell und erledigte all diese Dinge, die sie so unendlich viel Zeit kosteten. Internetrecherche, elektronische Archive, soziale Netzwerke im Web: Delgado war im Gegensatz zu ihr mit diesen Dingen sozialisiert. Seine Souveränität gab ihr Sicherheit. Sie spürte, dass dieser Fall anders war. Sie dachte wieder an das grauenhaft zugerichtete Gesicht. Die fehlenden Augen.
    Der Finger.
    Das waren Dinge, die nicht hierhergehörten, nicht nach Växjö in Småland. Natürlich gab es auch hier Gewalt, Hass und Tod. Wer wusste das besser als sie? Zwölf Mordermittlungen hatte sie an Bergs Seite miterlebt. Zwölf Tatorte besucht, zwölf Leichname betrachtet, zwölf Leben durchleuchtet. Zwölf Täter waren verhaftet worden, durch die Bank weg arme Seelen. Zwei Messerstechereien im Suff, zwei totgeprügelte Ehefrauen, ein sogenannter Ehrenmord. In fünf der zwölf Fälle hatte Alkohol eine Rolle gespielt. Habgier, Eifersucht, unkontrollierte Wut. Das waren Dinge, die sie kannte, die sie einordnen konnte, die sie begriff. Aber das, was mit Balthasar Melchior Frost geschehen war, schien etwas anderes zu sein.
    Forss saß zwischen Hultin und Lindholm, der eine modische Nerd-Brille und sehr enge Hosen trug. Sie hatte ihn bereits an der Hochschule kennengelernt. Der Konferenztisch war mit Notizblöcken, leeren Getränkedosen und Cheeseburger-Einwickelpapier vom Imbiss Oxgrillen

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