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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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unbeseelte Dinge. So wie der abgeschnittene Finger, der in ein Taschentuch gewickelt in ihrem Rucksack lag.

MONTAG
    1
    Stina Forss entfernte sich mit großen Schritten von Frosts Haus. Gierig nahm sie die kalte, feuchte Morgenluft in ihre Lunge auf und stapfte über den sumpfig schmatzenden Boden. Sie hatte dazugelernt, heute trug sie robuste Lederstiefel. Ihre eleganten Stiefeletten, die sie am Vortag getragen hatte, standen dreckverkrustet unter der Heizung in ihrem Hotelzimmer.
    Die Bewegung vertrieb den letzten Rest Müdigkeit. Ohne dass sie auf ihre Schritte geachtet hatte, war sie einem Pfad um die zugewachsene Senke hinter dem Grundstück gefolgt. Verblichenes Schilf und langes, kraftloses Gras säumten die Anhöhe, die einmal die Uferkante des lang gezogenen Teichs gewesen war, dann ging die Vegetation in verfilztes, moosiges Unterholz über. Einige Meter weiter hinten begann dichter, hoher Tannenwald. Forss blieb stehen. Es war sehr still hier draußen. Plötzlich hörte sie das schnelle, rhythmische Klatschen eines auffliegenden Wasservogels zwischen den Schilfhalmen. Danach war es wieder still. Sie spürte keine Luftbewegung auf ihrer Haut, auch die Spitzen der Tannen bewegten sich nicht, und doch zogen die tiefen Wolken, die sich weiß vor dem hellgrauen Himmel abzeichneten, mit hohem Tempo vorbei. Da, wo sie herkam, gab es diese Ruhe nicht. Städte atmen laut, selbst wenn sie schlafen. Aber wann schlief Berlin schon? Vielleicht morgens zwischen vier und halb sechs, hier dagegen konnte sie ihr eigenes Blut in den Ohren pochen hören.
    Ein wenig weiter öffneten sich das Unterholz und der Wald zu einer Schneise, die Platz für eine Stromleitung schuf, welche über Masten gespannt einen Hang hinaufführte. Nachdem Stina etwa dreißig Meter der leichten Steigung den Hang hinauf gefolgt war, entdeckte sie unter den Tannen einen uralten aufgebockten Traktor ohne Räder. Das rostige Metall war fast vollständig von Moos und Flechten bedeckt, die ehemals rote Farbe des Lacks kaum mehr zu erkennen. Zwei ausgetretene Stufen führten zu der vollständig erhaltenen Fahrerkabine. Auf dem feuchten, pilzigen Belag des rechten Kotflügels fand sie eine Inschrift. AC/DC hatte vor langer Zeit jemand in den Lack geritzt. Sie musste lächeln. Waldgraffiti.
    Sie drehte sich um und schlenderte zurück. Sie spürte nun die Kälte und auch, dass sie hungrig war. Vielleicht konnte sie ja von irgendeinem Kollegen ein Butterbrot und einen frischen Kaffee bekommen. Von der Ferne aus betrachtet und im diffusen Zwielicht des Februarmittags schien das beleuchtete Gewächshaus eine beinahe gemütliche Wärme auszustrahlen. Selbst von hier aus waren die Schemen der Menschen zu erkennen, die sich im Tropenhaus bewegten. Es erstaunte Forss, wie deutlich sich das Geschehen hinter den Scheiben abzeichnete. Wie ein Scherenschnitttheater. Da, die Gestalt ganz rechts, das musste Anette Hultin sein. Und der Riese da vor ihr, der sich gerade bückte, das war dieser Birkenstock oder Örkenstück oder wie der hieß, der Chef der Spurensicherung, der kantig aussah wie ein Eishockeyspieler. Jetzt kniete er sich hin und verschwand aus ihrem Blickfeld, das hohe Schilf der Senke nahm ihr einen Teil der Sicht. Sie ging langsam weiter. Vier Schritte. Sechs. Acht. Beim zehnten Schritt war die Idee da. Sie blieb stehen. Wandte sich um. Eilte die wenigen Meter zurück zu dem Traktor. Stieg die Stufen empor. Öffnete die quietschende Tür der Fahrerkabine. Zog sich in den schmutzigen Sitz. Rostige Sprungfedern quietschten. Sie sah hinaus. Die Windschutzscheibe war verschmutzt und voller Flechten, aber jemand hatte vor nicht allzu langer Zeit eine taschentuchgroße Fläche freigekratzt, die Sicht auf das Anwesen und das Gewächshaus hätte nicht besser sein können. Mit einem entsprechenden Fernglas hätte man einen auf dem Küchentisch stehenden Salz- von einem Pfefferstreuer unterscheiden können. Man hatte die Sichtkontrolle über die hinteren Räume des Untergeschosses, Wohnzimmer und Küche, man sah einen Teil des Schlaf- und Arbeitszimmers, die im oberen Stockwerk lagen, und man konnte jede Bewegung in dem Gewächshaus verfolgen.
    Forss begann sich umzusehen. In die Kabine fiel kaum Licht. Sie zog ihren Schlüsselbund aus der Hosentasche, daran war eine kleine Taschenlampe befestigt. Der schwache Lichtkegel enthüllte nicht viel: einfache Armaturen, ein Lenkrad, ein langer Schalthebel. Auf dem Armaturenbrett lagen Tannennadeln. Sie leuchtete den Boden

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