Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Und vergangenes Jahr haben ihn Jäger dabei erwischt, wie er einen Hochsitz umsägen wollte. Die haben ihn grün und blau geschlagen.«
»Und dieser komische Vogel hat Frost bedroht?«
»Sagt Axelsson. Wegen der Zucht seiner exotischen Falter. Das sei Tierquälerei. Du kannst es dir vorstellen.«
»Klingt so, als sollten wir uns mit ihm unterhalten.«
»Das sehe ich auch so. Ich lasse ihn einsammeln.«
»Einsammeln?«
»Haber zeltet in den Wäldern. Das ganze Jahr über. Aber tagsüber protestiert er meistens vor einem McDonald’s gegen Fleischverzehr und Massentierhaltung.«
7
Hugo Delgado kam nicht hinein: Er hatte geklingelt und geklopft, und er war außen herumgelaufen, um einen Hintereingang zu finden, aber es hatte alles nichts genützt – er kam nicht hinein. Er fühlte sich wie in einem Kafka-Roman, er wurde von hier nach da geschickt und von dort nach hier, und am Ende stand er wieder genau da, wo er vor Stunden gestanden hatte. Formulare hatte er ausgefüllt und dann noch mehr Formulare. Schließlich hatte er begriffen, dass es Antragsformulare waren, mit denen man wiederum andere Formulare beantragte. Am frühen Nachmittag war es so weit: Er war kurz davor, seinen Laptop gegen die Wand zu schleudern. Frustriert hatte er schließlich zum Telefonhörer gegriffen, endlose Nummern gewählt, nur um dann ein ums andere Mal in endlosen Warteschleifen zu landen. Die einzige Erkenntnis, die er dabei gewann, bestand darin, dass die Verwaltung der britischen Armee ihre Warteschleifen mit Kylie Minogue unterlegte. Dabei wollte Hugo Delgado doch nichts weiter als eine kleine Auskunft.
Im Grunde hatte seine Recherche ganz vielversprechend begonnen. Den Archiven der britischen Einwohnermeldeämter zufolge hatte es in den vergangenen hundert Jahren in Großbritannien lediglich drei Menschen mit dem Namen Balthasar Melchior Frost gegeben, von denen einer genau genommen Caspar Balthasar Melchior Frost hieß. Was im Grunde ja nur konsequent war, wenn man einmal genauer darüber nachdachte. Der überkandidelten Religiosität entsprechend, die der Name implizierte, ein Katholik, ein Ire, der 1875 in Wicklow, in der Nähe von Dublin, geboren und 1938 in ebendiesem Wicklow auch wieder verstorben war. Der schied also aus.
Der zweite Namensträger, ein schottischer Kommunalpolitiker von der Isle of Skye, hatte vor elf Jahren das Zeitliche gesegnet. Delgado fand über Google sogar Fotos von seiner Beerdigung. Da stapften tatsächlich Männer mit Dudelsäcken und karierten Röcken hinter dem Sarg durch den Regen. So viel zu Klischees, dachte Delgado.
Und schließlich gab es da noch den dritten Kandidaten. Volltreffer, hatte Delgado gedacht, als er den Geburtsort des Mannes las. Der dritte Balthasar Melchior Frost war am 30.01.1918 in Hull, in der Region mit dem klangvollen Namen Yorkshire and the Humber geboren. Hull, genau wie es im Auszug des schwedischen Registers stand. Doch dann war Delgado stutzig geworden. Er hatte ein gutes Gedächtnis für Zahlen und Daten, und irgendetwas stimmte hier nicht. Er öffnete die Akte, die er über Frost angelegt hatte. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen. Der Geburtsort Hull war identisch, aber das Geburtsdatum im schwedischen Register und in Frosts Personalausweis und in allen seinen Unterlagen wich von dem Datum ab, das in England eingetragen war. Nach den schwedischen Belegen war Frost am 28.08.1926 geboren. Achteinhalb Jahre später also. Delgado war irritiert. Konnte das sein? Konnte es sein, dass es zwei Männer mit dem gleichen extravaganten Namen gab, die in einem Zeitraum von weniger als zehn Jahren in derselben Stadt geboren worden waren?
Ja, das konnte sein.
War es wahrscheinlich?
Nein, war es nicht. Es war vollkommen unwahrscheinlich.
Denn wenn es einen zweiten Balthasar Melchior Frost aus Hull, England gab, warum stand er dann nicht im Archiv? Delgado entschied, dass es sich um einen Fehler handeln musste. Nur welchen Grund sollte es für Frost geben, jahrzehntelang mit fehlerhaften Papieren herumzulaufen?
Die Spuren, die Balthasar Melchior Frost ansonsten in den Registern seines Heimatlandes hinterlassen hatte, waren dünn. Er hatte vor dem Krieg als Hilfsarbeiter in Nottingham gearbeitet. Seine Eltern waren während des Zweiten Weltkrieges gestorben, 1940 und 1943. Er hatte zwei Schwestern gehabt, beide unverheiratet. Die eine war 1967 gestorben, die andere 1982. Frost selbst war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, 1939, in die Armee gegangen. Und genau da war
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