Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
rückgratlose Laus! Ob er es gewagt hätte, sich Gunnar Berg in den Weg zu stellen? Sie hatte da so ihre Zweifel.
Im Büro stapelte sie die gesamten Ermittlungsunterlagen vor sich auf der Schreibtischablage und ging das Material Seite für Seite durch. Sie schrieb eine Liste, notierte alle Namen, die bisher in der Ermittlung aufgetaucht waren.
FREDERIK AXELSSON
MONA WEDÉN
MARIANNE WETTERGREEN
GUDRUN UND HOLGER ERLANDSSON
MELIN DOHUK
JOACHIM HABER
JOHAN LÖNN
HILDEGARD HEDINGKS
BENNY CARLSSON ALIAS GINO
EVERT JOHANSSON
KARIN UND HELGA ENGBLOM
Mit all diesen Menschen würden sie sich noch einmal unterhalten müssen, und zwar in einem Verhörzimmer und in einem anderen Ton. Vor allem mit Hildegard Hedingks, ganz egal, was Edman und Iverus dazu meinten. Dann stand sie auf und rief ihre Mitarbeiter zusammen. Es stand ihnen ein Wochenende mit einer Menge Überstunden, viel Kaffee und noch mehr schlechter Laune bevor.
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Die zündende Idee war Lars Knutsson schließlich am Abend gekommen. Nach dem Abendessen hatte er sich aufs Sofa gelegt und zwei Folgen seiner Lieblings-TV – Serie geschaut. Es ging um einen Spezialagenten, der einen Anschlag auf den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten verhindern musste, während die Attentäter seine Frau und seine Tochter entführten. Die einzige Person, der er trauen konnte, schien seine attraktive Arbeitskollegin zu sein.
Vor dem Einschlafen hatte sich Knutsson vorgestellt, er wäre kein Polizist in Schweden, sondern der amerikanische Spezialagent. Er wäre richtig geschickt mit dem Computer und hätte diese ganzen Satellitenbilder zur Verfügung und würde alle naselang Telefongespräche zurückverfolgen und Verdächtige verhaften. Er würde Passwörter knacken und Codes dechiffrieren und Quadranten überwachen. Quadranten . Allein der Klang des Wortes war schon vielversprechend. Und da hatte er die Idee. Auch wenn er nicht alles genau begriff, was in der Serie an technischem Kram passierte, so hatte er doch genug verstanden, um zu erfahren, dass es mit der entsprechenden Legitimation möglich war, bei Mobilfunknetzbetreibern herauszufinden, wer zu einer bestimmten Uhrzeit in einem bestimmten Gebiet, einem sogenannten Quadranten, ein Handy benutzt hatte. Natürlich hatten sie die Verbindungen von Frosts Festnetzanschluss überprüft und herausgefunden, dass es keine auffälligen Telefonate gegeben hatte. In der Woche vor seinem Tod hatte der alte Mann lediglich mit seinem Freund Axelsson, dem Pflegedienst und einem Schmetterlingszentrum in Stockholm gesprochen. Aber was, wenn der Täter kurz vor oder nach der Tat telefoniert hätte, von einem Handy aus? Er hätte einen Komplizen anrufen können oder ein Taxi oder weiß der Himmel wen. Heutzutage telefonierte doch jeder wild durch die Gegend, zu jeder Tag- und Nachtzeit. Warum also nicht auch der Mörder? Je länger er darüber nachdachte, desto plausibler erschien ihm seine Theorie. Und warum sollte er nicht einmal ein bisschen Glück haben? Vielleicht hatte der Täter wirklich den einen, alles entscheidenden Fehler gemacht! Und er, Lars Knutsson, der Mann, der Probleme damit hatte, einen E-Mail-Anhang zu öffnen, würde ihm auf die Schliche kommen, durch List und technisches Know-how! Wie ein Spezialagent.
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Im Laufe des Nachmittags war es Nyström gelungen, ihren Aktionismus auf die Ermittlungsgruppe zu übertragen. Das Team war zwar von der Aussicht genervt, das ganze Wochenende zu arbeiten, aber ihre aus der Not heraus geborene Überlegung, sämtliche Personen, die bisher in der Untersuchung aufgetaucht waren, noch einmal zu verhören, sorgte auch für eine spürbar positive Energie, besonders Delgado und Hultin schienen froh zu sein, sich mit etwas Konkreterem als Internetrecherche oder Aktendurchsicht beschäftigen zu dürfen. Als zusätzliche Motivierungsmaßnahme hatte sie eine gemeinsame Filmvorführung organisiert: Sie sahen sich eine Videoaufzeichnung von Frost an, die im Stockholmer Schmetterlingshaus wenige Tage vor seiner Ermordung aufgenommen und Nyström heute zugeschickt worden war. Wie sie von Frederik Axelsson erfahren hatten, hatte Frost in Stockholm regelmäßig Vorträge gehalten. Der Film besaß eine gewisse Morbidität. Der Mann, dessen grausamen Tod sie seit fast einer Woche untersuchten, sprach aus der Vergangenheit zu ihnen. Trotzdem konnte es nicht schaden, wenn sie sich alle ein vollständigeres Bild von Frost machten.
Wie hatte er ausgesehen?
Wie hatte er gesprochen?
Wie hatte
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