Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
erinnert hatten. Jetzt wusste sie, woran: an ihre Freundin Kerstin. Kerstin war in Knivsta aufgewachsen. Das lag bei Uppsala.
»Und erinnert ihr euch noch daran, was ich über Frosts Beginn seiner Karriere als Aktienspekulant erzählt habe?«, fragte Hultin. »In den ersten Jahren hat er nur in Holz und Sägewerke und solche Dinge investiert. Das waren ausschließlich schwedische Unternehmen, das hätte damals doch kein junger Engländer getan, der gerade erst ins Land gekommen ist und überhaupt keine Ahnung von diesen Unternehmen hat.«
Delgado erinnerte sich an die Abweichungen bei Frosts Geburtsdatum, das im schwedischen Register ein anderes gewesen war als in England. Sie sahen nach. In der Tat stimmte das Datum aus Frosts Personalausweis mit den Angaben aus Holmgrens altem Jahrbuch überein. Das war ein Zufall zu viel.
Nyström sprach es aus: »Ich glaube, wir müssen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass Frost, also, dass dieser Larsson alle geleimt hat, mehr als sechzig Jahre lang. Er muss irgendwann zwischen seinem Verschwinden nach Stockholm und seinem Auftauchen in Karlskrona 1949 seinen Namen geändert und eine neue Identität angenommen haben, die Identität eines Mannes, den es nach den Auskünften der britischen Behörden ja wirklich gegeben hat.«
»Balthasar Melchior Frost.«
»Was Larsson behalten hatte, war sein richtiges Geburtsdatum. Wir können nur annehmen, dass das einer Sentimentalität zu verdanken ist.«
»Vielleicht wollte er irgendetwas von seinem alten Leben behalten?«, mutmaßte Hultin.
»Irgendwo muss Larsson zwischen 1945 und 1949 an die Ausweispapiere des Briten gekommen sein, um sich dann mit diesen Papieren ein neues Leben aufzubauen. Warum auch immer.«
»Waren wir so blind?«, fragte Nyström. »Hat es die ganze Zeit vor uns gelegen, und wir waren zu blöd, es zu bemerken?«
»Nein, Ingrid! Wenn er es geschafft hat, über sechzig Jahre lang sämtliche Behörden zu täuschen und sogar sein Geburtsdatum zu manipulieren, kann niemand erwarten, dass wir ihm sofort auf die Schliche kommen«, sagte Knutsson.
»Er hat seine Spuren perfekt verwischt, und hätte es nicht den Mord gegeben und diese hartnäckige Jugendfreundin, dann wäre Larssons Geheimnis wohl nie entdeckt worden.«
»Ich weiß nicht, ich kann das irgendwie alles noch nicht glauben«, meinte Hultin.
Delgado sagte: »Für mich stellt sich die Frage nach dem Warum! Warum setzt ein Mann so viel daran, seine Identität auszulöschen und als jemand anderes weiterzuleben?«
»Weil er nicht gefunden werden will«, sagte Forss schließlich. »Das muss der Grund sein. Er versteckt sich.«
»Aber was kann ...«, setzte Delgado an. Doch er brachte seine Frage nicht zu Ende. Die Tür des Besprechungsraumes ging auf. Göran Lindholm kam herein, in der Hand hielt er ein Blatt Papier.
»Ich habe den Ausdruck aus dem Register. Irgendwo gab es Probleme mit dem Server, deswegen hatte ich nicht sofort Zugriff.« Er atmete schnell, so als sei er die Treppe hochgerannt.
»Ein Henrik Larsson kommt am 28. August 1926 als einziges Kind von Erik und Anna Larsson, geborene Bachman, in Uppsala zur Welt. Der Vater ist Bankangestellter, die Mutter Krankenschwester. Sie kommen 1944 ums Leben. Im selben Jahr macht Henrik seinen Schulabschluss und schreibt sich in Stockholm zum Studium ein.«
»Politik und Ökonomie?«
»Keine Ahnung, steht hier nicht. Aber jetzt kommt’s: Nach den offiziellen Angaben verstirbt unser Henrik Larsson am 17. September 1948.«
»In Stockholm?«
»Nein.« Göran Lindholm sah in die Runde. »In Jerusalem.«
7
Benny Carlsson war in einer merkwürdigen Stimmung, daran änderte auch das dritte Glas Gin Tonic nichts. Im Gegenteil, die Schwermütigkeit, die sich seit der Nachricht von Frosts Tod auf sein Herz gelegt hatte, drückte ihn zunehmend. Verdammt, was hatte er den alten Narren gerne gemocht, und das, obwohl zwischen ihnen nie etwas gelaufen war, wenn man mal von diesem einen verschwitzten, betrunkenen Kuss in der Garderobe im Varieté-Theater in Malmö absah. Silvester 1976 war das gewesen – wie die Zeit verging. Da war er zwanzig gewesen, heute war er mit Abstand der älteste Spieler des Altherrenteams von Östers IF. Und Frost? Er war seinem Johan so unglaublich treu gewesen. Was für eine Verschwendung! Und jetzt war er tot, ermordet, wahrscheinlich von irgendeinem Schwule hassenden Schwein! Und das, obwohl er sich sein Leben lang versteckt hatte. Wie bitter und wie ungerecht. Benny Carlsson
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