Spaetvorstellung - von den Abenteuern des Aelterwerdens
immer klein, auch Lottis Wohnung ist klein, an der Wand hängt ein Stierkampfplakat aus Malaga und das Foto einer Bigband, in der sie drei Jahre lang gesungen hat. Junge Frauen haben Augen, in denen Erwartung ist und Körper, die weich sind oder knabenhaft, sexy oder mütterlich, oder beides. Jede hat Anmut und keine ist ohne Makel, lebendige Schönheit. Barbara kommt aus Bonn, Elisa aus Serbien, Aysel ist Türkin, Lotti und Saskia sind in Berlin geboren. Sie kennen sich über ihre Ausbildung, spätes Abitur, spätes Studium, verlängerte Jugend; dreiunddreißig Jahre alt und lange noch nicht fertig. Sie treffen sich regelmäßig, Mädchenrunde nennen sie das. Jede hat was mitgebracht, Oliven, Halva, Pfannkuchen, denn heute ist der elfte Elfte, die Faschingszeit beginnt. Sie drehen sich Zigaretten, trinken Wein und möchten eigentlich nur lachen. Ist es schwer, jung zu sein?
Sie reden und lachen, alles durcheinander: Wir sind jetzt auf dem Höhepunkt unseres Lebens, auf dem Höhepunkt unserer Schönheit, und du weißt, dass es für Jugend und Schönheit keine zweite Chance gibt. Du weißt, das sind jetzt deine besten Jahre, und du fragstdich ständig, ob du sie auch nutzt, ob du die richtigen Entscheidungen triffst. Du hörst die Uhren ticken, ticktickticktick, noch ein Tick, und die Jugend ist vorbei. Diese Anstrengung, diese Zweifel. Sich ständig entscheiden zu müssen und sich ständig zu fragen: Hast du dich richtig entschieden? Die Schwierigkeit, Beruf und Familie zusammenzubringen. Das Existenzminimum aufzutreiben, fünf Jobs und das Studium. Die Angst, dass das jetzt das Leben ist, dieses konfuse Gefühl: Müsstest du nicht was ganz anderes machen? Ist das jetzt der richtige Partner, oder gibt es noch was Besseres? Bin ich glücklich, oder doch nicht? Kann man wertschätzen, was man hat? Lebe ich am Leben vorbei? Bin ich überhaupt schon erwachsen? Du bist emotional noch in den Zwanzigern, mit Dreiunddreißig hast du immer noch kein Kind, aber die Angst, dass es zu spät sein könnte. Die Zeit rennt davon, die Existenz ist ungesichert, du musst was machen aus deinem Leben, du musst. Unsere schönsten Jahre – unsere schwersten Jahre, und plötzlich ist man alt! Oh, Augenringe am Morgen, die hatte ich vor einem Jahr noch nicht. Das erste graue Haar? Erschrocken gucken und ausreißen!
Könnt ihr euch als alte Frauen vorstellen? Hängebrüste kann ich nicht kriegen, dafür sind sie zu klein, beginnt Elisa, ein bisschen Bauch werde ich haben, aber immer noch glänzende Augen, auch mit sechzig. Vielleicht bin ich frisch verliebt und habe meinen ersten Roman geschrieben, nicht so wissenschaftliches Zeug wie jetzt, sondern einen richtigen Roman. Ich bin geschieden, mein Sohn ist dann zwanzig.
Wie meine Mutter werde ich aussehen, sagt Aysel, aber ich werde nicht so korpulent sein wie sie. Ich werde stolz sein auf meine erwachsenen Töchter,meine Agentur »Pünktchen« ist nicht nur in Berlin, sondern auch in New York und in Sydney eine gute Adresse für Kinderbetreuung. Meine Zornesfalte ist tiefer geworden, das wird mir nicht gefallen. Ich habe mich noch nie so k. o. gefühlt wie jetzt, im Alter werde ich mich ausruhen können.
Saskia, die Malerin, sieht sich als extravagante Frau in gehobenen Verhältnissen, mit Stadtwohnung und Haus auf dem Land, vielleicht ein Hund, aber ein großer, kein Fipsi: Ich werde bunte Bleistiftröcke tragen, Seidenblusen und gut geschnittene Mäntel. Zwischenruf von Lotti: Du erbst ja auch mal einen ganzen Wald! Mal sehn, entgegnet Saskia und malt weiter aus: Meine Haare sind nicht grau, sondern gefärbt, blond oder rot. Ich werde allein leben und nur drei Tage in der Woche arbeiten, lieber verdiene ich zweihundert Euro weniger, als keine Gedanken mehr im Kopf zu haben; vielleicht verkaufen sich ja auch meine Bilder, und ich werde reich.
So eine gewisse Latino-Eleganz werde sie ausstrahlen, den Lippenstift von Dior, den kirschroten, werde sie immer noch benutzen und dicke Goldketten tragen, echte, glaubt Lotti: Ich werde etwas füllig sein mit sechzig, ein bisschen gewaltig, aber stolz. Ich werde immer noch mit Björn zusammen sein, ich habe mich nie gefragt, ob es was Besseres gibt als ihn, er reicht mir. »Speak low, sprich leise, wenn du von Liebe sprichst«, werde ich auch noch mit sechzig singen, auf der Bühne vom Admiralspalast vielleicht, und albern sein noch mit achtzig. Mein Beruf ist dann aber nicht mehr Lehrerin, ich bin eine in späten Jahren berühmt gewordene
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