Spaghetti in flagranti
angeschlossen, mammas schwerhörige ältere Schwester. Sie hatte für die Aktion eigens ihren altersschwachen Ford Fiesta aus der Garage geholt und tuckerte mit meiner Oma nun hinter uns her über die Strada Statale in Richtung Rimini-Miramare. Ich konnte von Glück sagen, dass sie nicht auch noch ihren geliebten Goldfisch im Schlepptau hatte.
Was sollte Otto bloß von diesem Menschenauflauf denken? Und wie sollte ich ihn begrüßen – vor aller Augen?
»Da, ich kann den Flieger aus München schon sehen, wir sind bestimmt zu spät«, rief Paola plötzlich, als ob am Aeroporto Internazionale Federico Fellini im Winter nur eine Maschine am Tag landen würde. »Der Arme ist bestimmt hundemüde von dem Flug.«
»Blödsinn«, widersprach ihre Zwillingsschwester, »er hat doch keine Weltreise hinter sich. Aber Hunger hat er sicherlich.«
»Oje!«, rief mamma , »wieso habe ich daran nicht gedacht? Am besten, wir kaufen ihm gleich ein panino . Mag er lieber Schinken oder Salami aufs Brot, Angela?«
»Bestimmt Schinken!«, meinte Paola.
»Bestimmt Salami!«, platzte Laura zeitgleich heraus.
»Der Bayer isst sicher nur Schweinefüße«, kam es von babbo , der einfach nicht aufhören konnte zu sticheln, sobald es um Otto ging.
Ich war völlig genervt, dass hier jeder besser zu wissen glaubte, was Otto jetzt brauchte und wie er sich wohl fühlte. Dabei kannte ihn niemand außer mir. Na ja, und mamma . Dennoch hielt ich mich aus der sinnlosen Diskussion heraus und widmete mich lieber intensiv meinem telefonino .
In unserem Fiat Punto ging es genauso chaotisch und laut zu wie vor drei Wochen beim Mittagessen. Jenem Mittagessen, nach dem für mich die Welt eine andere war.
Wir saßen an besagtem Samstag gerade um den Küchentisch und waren mitten in den schönsten Familiendisput verstrickt, bei dem es wieder einmal um meine berufliche Zukunft ging.
Ich hatte am Vormittag erneut eine Absage aus dem Briefkasten gefischt, dementsprechend war meine Laune auf dem Tiefpunkt angelangt und ich stocherte lustlos im Essen herum. Dabei gab es hausgemachte Lasagne, eines meiner Leibgerichte.
Zu allem Übel ließ babbo mir seine klugen Ratschläge zuteilwerden, womit er alles nur noch schlimmer machte. »Du brauchst dich nicht zu wundern, dass du nicht weiterkommst, wenn du meine Hilfe nicht annehmen willst. Ich kann jederzeit Signor Mauro um einen Gefallen bitten. Den schuldet er mir noch, seit ich ihm vor drei Jahren in einer Steuersache aus der Patsche geholfen habe. Er kann ganz sicher was für dich arrangieren.«
»Nein, danke«, erwiderte ich eine Spur heftiger als beabsichtigt und erntete prompt einen mahnenden Blick von meiner Mutter. »Ich bin kein kleines Mädchen mehr und kann mir bestens selbst helfen. In Deutschland hat man ja gesehen, wohin deine tatkräftige Unterstützung geführt hat. Ich sag nur Signor Colluti.« Die Spitze konnte ich mir beim besten Willen nicht verkneifen.
»Jetzt ist’s aber gut!«, polterte mein Vater los und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Gläser nur so klirrten. » Ich war von Anfang an dagegen, dass du für so lange ins Ausland gehst. Noch dazu in dieses München, wo wir niemanden kennen. Das hab ich dir damals schon gesagt, aber die signorina musste ja ihren Dickschädel durchsetzen. Vor einem Jahr war die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch deutlich entspannter, da hättest du locker …«
»Was hätte ich da locker?«, unterbrach ich ihn wütend. »Vor einem Jahr war auch nichts besser als heute. Da hätte ich genauso wenig einen Job bekommen.«
»Berlusconi hatte die Wirtschaft besser im Griff als dieser preußische Super-Mario oder wie sie ihn in ganz Europa nennen«, mischte sich nun auch noch nonna fachkundig in die Debatte ein.
»Gar nichts hatte dieser notorische Steuerbetrüger im Griff, deshalb ist er jetzt ja auch weg vom Fenster«, widersprach mamma ihr sofort. »Zum Glück haben sie ihn endlich angeklagt und wegen seiner Schwarzgeldkassen drangekriegt.«
»Genau«, stimmten nun auch noch meine Schwestern im Chor ein, obwohl sie gar keine Ahnung vom Thema hatten. »Der ist eh alt und hässlich.«
Nonna winkte ab. »Ach, die paar Euro Schwarzgeld. Berlusconi ist ein guter Mann, er hat viel für die Rentner getan.«
Wenn es um Politik ging, waren die verschiedenen Generationen in unserem Haus alles andere als auf einer Linie, und jeder fühlte sich bemüßigt, seine Meinung lautstark zu vertreten.
»Er ist ein Verbrecher und mit Sicherheit kommt
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