Spanischer Wein
Außerdem schien die Sonne. Es war ein herrlicher Junimorgen. Nachdem Gina geduscht und sich die Haare gewaschen und getrocknet hatte, zog sie eine kurzärmelige weiße Bluse und einen gerade geschnittenen marineblauen Rock an.
Ihre Laune verschlechterte sich allerdings, als Gina nach dem Mittagessen in einem Pub mit Antonio ins Büro zurückkehrte.
Zuerst hatte alles ganz vielversprechend ausgesehen. Antonio war pünktlich zum Frühstück erschienen und hatte verkündet, er habe gut geschlafen. Danach waren sie in seinem Wagen zur Firma gefahren - und von da an hatte es nur Probleme gegeben.
Da zwei Mitarbeiterinnen fehlten - eine hatte Urlaub, die andere musste sich um ihren kranken Mann kümmern -, war Gina bereits klar gewesen, dass es sehr viel zu tun gab. Als Antonio daraufhin zwei andere Mitarbeiter abkommandiert hatte, hatte sie kaum eine Atempause gehabt. „Es tut mir Leid, querida", hatte er gesagt und ihr beinah lässig mit einem Finger über die Wange gestrichen, „aber ich muss die Lieferung unbedingt ausfindig machen."
Das Kosewort, das er benutzt hatte, und seine Berührung hatten sie überdies so nervös gemacht, dass es ihr schwer gefallen war, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
„Ich habe Grandpa und unserem Manager in London schon gesagt, dass die Lieferung nicht hier eingegangen ist", informierte Gina Antonio nun. „Wie du selbst gesehen hast, ist sie nicht hier."
„Jedenfalls gibt es keinen entsprechenden Frachtbrief." Er seufzte tief. „Aber ich muss trotzdem im Lager danach suchen, um sicherzugehen, dass kein Irrtum vorliegt."
Sie zuckte die Schultern. „Das sehe ich ein. Aber ich kann dir die beiden jungen Männer, die dir heute Vormittag geholfen haben, nicht wieder zur Verfügung stellen. Sie müssen heute noch jede Menge Kisten ausliefern."
„Das ist nur recht und billig. Aber dann kannst du ja mit mir in den Keller gehen, oder?"
„Nein, natürlich nicht", entgegnete sie, weil sie an die Arbeit denken musste, die sich auf ihrem Schreibtisch türmte. Trotzdem war es ein Pluspunkt, wenn sie - und sei es nur dem Manager in London - beweisen konnte, dass in ihrer Filiale kein derartiger Irrtum unterlaufen war. Daher nahm sie die Schlüssel aus ihrer Schreibtischschublade und führte Antonio durch das große alte Lagerhaus und in den Keller.
Nicht gerade mein Lieblingsplatz, dachte Gina, als sie sich in dem dunklen Gewölbe umblickte. Da nur durch wenige kleine Fenster etwas Tageslicht fiel, war es hier richtig unheimlich. Und die großen Spinnweben taten ein Übriges. Sie schauderte. Je eher sie hier wieder herauskam, desto besser.
„Nein, hier ist die Sendung anscheinend auch nicht gelandet." Antonio klopfte sich den Staub und die Spinnweben von den Händen, als er durch einen Gang zwischen Kartons auf sie zukam. „Aber es sieht so aus, als hättest du hier unten einige interessante alte Weinsorten." Er blieb neben ihr stehen.
„Ja. Ich glaube, einige stammen noch aus der Zeit meines Ururgroßvaters", erwiderte sie leise. Ihr war plötzlich ganz seltsam zu Mute.
Vielleicht lag es an der Dunkelheit oder an der Akustik hier unten. Obwohl Antonio nichts gesagt und sie nicht einmal berührt hatte, waren die Gefühle, die sie in seiner Nähe immer empfand, jetzt noch viel intensiver. Ihr Puls raste, und ihr war ganz heiß.
Der große Raum mit der gewölbten Decke schien auf einmal zu schrumpfen, und die Zeit schien stillzustehen. Gina fühlte sich ganz benommen. Wie gebannt blickte sie in Antonios funkelnde dunkle Augen - und das Blut rauschte ihr in den Ohren, als sie sich daran erinnerte, wie sie damals in seinen Armen gele gen hatte.
Sobald Antonio einen weiteren Schritt auf sie zumachte, begann ihr Herz so schnell zu klopfen, dass ihr das Atmen schwer fiel. Ihr Mund war vor Angst und Anspannung ganz trocken. Doch als sie die Lippen unwillkürlich mit der Zunge befeuchtete, schien Antonio sich zu verspannen. Dann fluchte er leise.
„Oh ... Es ist schon spät... Ich muss jetzt wirklich zurück ins Büro ..." Gina wirbelte herum und eilte die Treppe nach oben, denn sie konnte gar nicht schnell genug wieder ans Tageslicht kommen. Und weg von Antonio Ramirez.
Auf dem Weg in ihr Büro wäre sie fast mit ihrer Sekretärin zusammengestoßen, die ihr im Flur entgegenkam und mit einem Blatt Papier wedelte.
„Ich habe gerade ein Fax von unserer Filiale in Bristol bekommen, Miss Brandon", verkündete sie atemlos und blickte dann an ihr vorbei zu Antonio.
„Man hat Ihre
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