Spatz mit Familienanschluß
rosablühenden Oleanderbaum, hockte Lucas auf einem Zweig und fragte: »Es hat wohl einige Schwierigkeiten gegeben?«
»Einige«, sagte Markus. »Kathrin kam nur mit, um Stefanie nicht die Freude zu verderben.«
Die Schwestern hörten nicht, was Markus sagte, sie hatten ein Mädchen mit ganz schicken Schuhen gesehen und waren sich einig, daß solche Schuhe auch ihnen passen würden. Kathrin wußte zum Glück ein Geschäft, wo es diese Schuhe gab. Jetzt ging es nur darum, Papa klarzumachen, daß sie unbedingt diese und keine anderen Schuhe brauchten. Sie konnten gleich damit anfangen, während sie die Eistorte aßen.
Ich bin Kathrin. Also dazu, wie meine Eltern sich kennengelernt haben, kann ich ja nichts hinzufilgen. Nur: Wir finden es schön, wenn Mama davon erzählt. Wir drei hören dann gerne zu. Und wir können die Geschichte immer wieder hören, obwohl es in ihr keine Überraschungen für uns gibt. Eine fast noch schönere Geschichte, die Mama erzählen kann, ist, wie sie und Papa einander zum erstenmal geküßt haben. Also: Es war natürlich noch in Bibione. Sie gingen miteinander am Abend spazieren, setzten sich dann in einen Vorgarten an ein Tischchen unter freiem Himmel und bestellten zwei Portionen Eis. Genauer gesagt, zweimal Copa deliciosa. Nachher schauten sie sich noch die Auslagen der Geschäfte an. Und bei einem Geschäft, in dem man Mörser nach alten Vorbildern bekam, ebenso Öllampen und Klingelzüge, alles aus Messing, da blieben sie stehen. Und mein Vater sagte: >Solch eine Glocke möchte ich einmal für mein Haus haben und nicht eine scheußliche elektrische Klingel.< Und Mama fragte: >Und was möchtest du noch für dein Haus?<
Sie müssen sich vorstellen, Mama starrte dabei angestrengt in das Schaufenster auf einen siebenarmigen Leuchter, nur manchmal, guckte sie zu Papa hin, aber ohne den Kopf zu bewegen, nur so aus den Augenwinkeln. Sie wußte genau, was jetzt kommen würde, das heißt, sie betete darum, daß es genau so kommen möge, wie sie es wollte.
Da sagte er: >Was ich noch für mein Haus haben möchte?< Dann holte er tief Luft, denn er kam sich ungeheuer kühn vor; Papa war damals sehr schüchtern, sagt Mama, das müssen Sie wissen. >Willst du wirklich wissen, was ich noch für mein Haus möchte?< Dann lange Pause. >Dich<, sagte er schließlich.
Und da fiel ihm meine Mutter um den Hals und küßte ihn. Und das war auch gut so. >Wenn ich gewartet hätte, bis er mir um den Hals fällt, würde ich möglicherweise heute noch warten<, sagt Mama dann immer.
Ja, und dann heirateten sie, und alles war gut, bis die Kinder kamen. Leider war Stefanie die Erstgeborene und brüllte und brüllte, wenn sie Hunger hatte, und Hunger hatte sie immer, besonders nach Mitternacht, zwischen null Uhr dreißig und zwei Uhr morgens. Ich war viel ruhiger in der Nacht, da kann man meine Elternfragen. Ich war auch nicht so verfressen wie Stefanie.
Und was da mein Vater verriet, ich wäre schon heftig verlobt gewesen, ich weiß gar nicht, wann das war. Ich kann mich an Henry auch nur noch schwach erinnern. Gut, wir haben damals Mann und Frau gespielt. Er kam müde von der Arbeit heim, und ich hab ihm etwas gekocht. Leider hatte ich nur eine alte Kaffeemühle, auf der mußte ich alles kochen. Braten und Schnitzel und so. Nur manchmal wollte er auch Kaffee, und weil ich nichts anderes fand, als winzigkleine Essiggürkchen, hab ich halt die in der Kaffeemühle gemahlen, mit ein paar Maiskörnern. Stefanie wird bestimmt davon erzählen, sie kann manchmal entsetzlich boshaft sein. Aber die Matsche aus Gurke und Maiskörnern hat sie schon gegessen.
Bleibt nur noch Markus. Einmal hat ihn Vater furchtbar angebrüllt. Eine Bande, die von Bruno Kallinger, üble Burschen, hatte uns, Steffi und mich, eingefangen und schlug uns. Markus ging inzwischen in der Wiese umher und pflückte Blumen. Zufällig sah Vater die Geschichte vom Auto aus. Er hat Markus richtig durchgeschüttelt und gebrüllt: >Einmal, wenn ich noch sehe, daß du keine Hand für deine Schwestern rührst, dann erlebst du was!<
Und Markus tat beleidigt, als wüßte er gar nicht, worum es ging. Ich meine, wenn wir auch viel streiten, nach außen, den anderen gegenüber, sind wir eine Familie.
Markus möchte manchmal gern mit meinen Puppen spielen, aber ich laß das nicht zu. Ich weiß, ich bin dann wirklich gemein, aber nicht so wie Stefanie, die ist wirklich richtig gemein, die will immer zuerst irgendeine Schleckerei von ihm, ein Stück Kuchen oder
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