Spatz mit Familienanschluß
erwähnt. Es ging nur um die Geschichte, wie ein Koch daraufkam, Tortellini zu machen.«
»Die Tortellini«, sagte Markus versonnen, »der Nabel von Anna.«
»Wessen Nabel?« fragte der Vater, der eben sagen wollte: Wie lange wollt ihr da noch stehen, jetzt wissen wir wirklich alle, wie Tortellini gemacht werden. Aber er sagte statt dessen: »Von welchem Nabel hast du da eben gesprochen?«
»Ach, es ist nur die Geschichte von der Erfindung der Tortellini.«
»Und was hat der Nabel damit zu tun?«
»Weil der Koch, der die Tortellini erfunden hat, an den Nabel eines schönen Mädchens gedacht hat.«
»Eine sonderbare Geschichte«, sagte Vater. »Von wem hast du die denn?«
»Ich hab sie mal gehört.«
»Huch«, sagte Kathrin, »ausgerechnet der Nabel.«
Die Familie Bergmann ging weiter, und Markus schwieg. Er hätte ja zu Kathrin sagen können: Sei froh, daß der Koch nicht an deine Nase gedacht hat. Und Kathrin hätte sicher zurückgegiftet: Warum? Und er hätte ganz lässig geantwortet: Weil die Tortellini dann zwei Löcher hätten.
An der Piazza di Roma strömten Hunderte von Menschen zusammen. Die Vorgärten der Restaurants waren überfüllt, und der Radverleiher machte ein gutes Geschäft.
Markus war schon lange nicht mehr Rad gefahren. Jetzt verspürte er den dringenden Wunsch, mit den anderen, die schon ein Rad geliehen hatten, auf dem großen Platz um den Brunnen zu kreisen.
»Papa, Mama, darf ich radfahren? Nur ein bißchen?«
»Der Junge macht mich noch arm«, seufzte Vater. »Nicht lange, eine halbe Stunde nur.«
»Ich auch«, schrie Kathrin. »Ich will sehen, wer schneller ist.«
»Fahr nicht«, sagte Lucas. »Laß es sein.«
»Eine Viertelstunde nur, wirklich nicht lange.«
»Dort steht, daß eine halbe Stunde die kürzeste Zeit ist, die man das Rad mieten kann.«
»Laß das bleiben«, flehte Lucas. »Verzichte auf das Vergnügen. Es gibt ein schlimmes Ende.«
»Mit einem Rad!« widersprach Markus. »Was kann da schon passieren?« Und zu den Eltern sagte er: »Ich verzichte drei Tage aufs Eis, wenn ich radfahren darf.«
»Also gut«, sagte Frau Bergmann. »Unter zwei Bedingungen, ihr rast nicht, und vorher wird beim Rad überprüft, ob die Bremsen funktionieren.«
»Laß es sein!« rief Lucas Altamura aufgeregt. »Hör nur das eine Mal auf mich.«
Aber Markus schüttelte den Kopf.
Der Altamura wollte schon heimfliegen, aber dann überlegte er es sich. Er flog zum Hotel Stella Mare hinüber und setzte sich dort auf das L nach dem E. Von hier aus konnte er den ganzen Platz überblicken. Zuerst fuhr sein Schützling die Runden um die Brunnenanlage brav und regelmäßig inmitten der anderen. Später begann er zu überholen, einmal links, dann wieder rechts, immer dort, wo es besser ging.
Markus überkam es wie ein Rausch. Um sich herum die radfahrenden Kinder, der Brunnen, der immer am selben Ort stand, die vielen Menschen, die verschieden hohen Häuser an der Piazza. Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte er das Gefühl, die Häuser würden zu rotieren beginnen, und er stand still. Er sah seine Eltern nicht mehr, die irgendwo mit Steffi standen, und er konnte auch Kathrin nicht mehr entdecken, die irgendwo hinter ihm sein mußte. Wenn sie jedoch vor ihm war, dann überrundete er sie sicherlich. In diesem Augenblick wußte Markus, was um ihn herum geschah: Es war das Rennen rund um die Piazza di Roma, die Leute jubelten ihm zu, weil er einem blendenden Sieg entgegenfuhr, die Blitzlichter der Kameras rissen nur ihn aus der hereinbrechenden Dunkelheit. Und jetzt wußte er, Kathrin war hinter ihm, um ihn anzufeuem.
»Markus!« schrie sie immer wieder. »Markus!« Aber er konnte nicht mehr schneller fahren, als er schon fuhr, zudem begann sein Bein dort zu schmerzen, wo er sich am Liegestuhl aufgeschlagen hatte.
»Bist du verrückt?« rief Kathrin keuchend. »Fahr nicht wie ein Irrer.« Da raste sie an ihm vorbei, zog ihr Rad nach rechts, seine Bremsen funktionierten nicht, er mußte das Rad herumreißen, und da kam die Zuckerbude auf ihn zu. Er roch die gebrannten Mandeln, sah die Zuckerwatte, die rotglänzenden, zuckerübergossenen Äpfel, hörte hinter sich Kinder schreien und Fahrräder scheppern, sah die auf Holzstäbchen aufgespießten, mit Zuckerkruste überzogenen Weintrauben, die Glasscheibe davor, hörte noch, wie der Verkäufer: »Pronto, dolce, dolce«, und dann entsetzt: »Attenzione!« rief. Aber da zersplitterte schon das Glas — oder war es auch nur Zuckerguß? und Markus
Weitere Kostenlose Bücher