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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Barnard
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die Stirn. Vielleicht war es ja doch nicht so spät gewesen, als sie zu Bett gegangen waren, aber das bezweifelte sie. Vielleicht war eher die Tatsache, dass sie keinen Alkohol getrunken hatte dafür verantwortlich, dass sie sich an diesem Morgen so wohl und ausgeruht fühlte. Oder aber die Tatsache, dass sie in den kommenden drei Tagen keinerlei Verpflichtungen hatte. Und du musst dich auch nicht mit Derek rumärgern. Sie versuchte diesen unwillkommenen Gedanken beiseite zu schieben, aber er blieb beharrlich dort, wo er war.
    Als wäre es möglich, die Gedanken an Derek im Bett zurückzulassen, schob sie die Decke von sich und stand auf. Es war kühl im Raum und sie zitterte, aber sie freute sich, durch die dünnen Spalten in den Läden erste Anzeichen von Sonnenschein entdecken zu können. Sie sehnte sich danach, die Umgebung der Hütte im Sonnenschein zu sehen, obwohl der Vortag trotz des Regens wunderbar gewesen war.
    Wegen eines Unfalls auf der Autobahn waren sie erst kurz vor Mittag bei der Hütte angelangt, obwohl die tiefhängenden Wolken es eher wie die Abenddämmerung erscheinen ließen. Es war nur wenig über zehn Grad, weshalb Jessa sofort ein Feuer entzündete, nachdem sie die Lebensmittel weggeräumt hatten. Danach zeigte sie Shara dann ihr zeitweiliges Zuhause.
    Die Hütte war schlicht eingerichtet, aber Shara konnte sehen, dass alles darin mit Bedacht ausgesucht worden war. Sie ließ ihren Blick über das Klavier wandern, auf dem Partituren verstreut lagen, und über den Gitarrenkoffer, der neben einem kleinen aber feinen Schrank in einer Ecke stand.
    Shara war vom Original-Steinboden in der Küche begeisterte, aber Jessa kommentierte, dass deshalb der dicke Teppich vonnöten war, der fast den ganzen Boden bedeckte. Als Shara den klassischen AGA-Herd bewunderte, gestand Jessa, dass er nicht alt war und sie ihn erst im vergangenen Winter in einem Laden in Beauchamp Place, in Knightsbridge, neu gekauft hatte. »Vorher gab es nur einen gewöhnlichen Elektroofen in der Küche, der in einer kalten Nacht seinen Geist aufgegeben hat. Da beschloss ich, etwas Verlässliches anzuschaffen, das auch in eine traditionelle Bauernküche passt.«
    »Gute Wahl«, sagte Shara und sah sich weiter um. Der Raum wurde dominiert von einem stabilen, stark abgenutzten Tisch und Stühlen mit hohen Rückenlehnen und abnehmbaren Kissen; die cremefarbenen Wände waren durch Türrahmen und Fußleisten in gedämpftem Graugrün akzentuiert. Es gab Zeichnungen mit Kräutern und Blumen in Rahmen aus gebeiztem Treibholz, ein Regal mit abgegriffenen, fettbespritzten Kochbüchern und Töpfe mit Kupferboden, die an altmodischen Haken hingen. Der Raum war gemütlich, nicht zu vollgestopft und zeitlos. »Liefern Läden in Knightsbridge in diese Gegend?«
    Jessa stöhnte. »Erinnern Sie mich bloß nicht daran! Die haben mich an einen ihrer Vertragsinstallateure verwiesen. Der musste ein paar Veränderungen vornehmen, damit ich Gasflaschen verwenden kann, weil es hier nichts anderes gibt, und das Gerät dann einbauen. Seine Tochter ist an einer Uni in den USA, und ich glaube, ich habe ihr ganzes Studium finanziert. Er konnte mit seinem Lieferwagen nur bis zum Ende der Straße fahren, also mussten wir den AGA in Dusty umladen, ihn hierher bringen, dann wieder zurück, um seine Leute abzuholen, die ich dann später auch alle wieder zum Lieferwagen zurückfahren musste – und all das im Schneegestöber!«
    Shara betrachtete den AGA mit neugewonnenem Respekt. »Zeigen Sie mir, wie ich damit umgehen muss? Nach dem, was Sie da erzählt haben, möchte ich nicht diejenige sein, die ihn kaputtmacht, vor allem, wo mir das bei schon so vielen anderen Öfen passiert ist.«
    Jessa starrte sie entgeistert an und malte sich in Gedanken bereits die schrecklichsten Horrorszenarien aus, als sie bemerkte, dass Shara ihr zuzwinkerte, und sie mussten beide kichern.
    Das stellte die Weichen für den Nachmittag. Sie neckten sich gegenseitig und lachten miteinander, auch während des einfachen Mittagessens, nach dem Jessa einen Spaziergang vorschlug.
    »Da draußen?« Shara war entsetzt. Der Regen prasselte noch immer heftig aufs Dach und lief in Rinnsalen über die Fensterscheiben. Mehrere Stellen des ungeteerten Weges zur Hütte standen unter Wasser, und sie hätte schwören können, dass ab und zu der Donner grollte.
    Jessa grinste sie an. »Was ist denn mit all der Angeberei von wegen guter irischer Abstammung passiert? Wenn Sie nicht aus Zucker gemacht sind,

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