Spaziergang im Regen
meine Frau füttern sollte . . .«
Shara sog tief Luft ein, und als Jessa sie anschaute, war ihr, als würde das Herz in ihrer Brust anschwellen, und Tränen traten in ihre Augen. In Sharas Miene spiegelte sich unverhohlene Anbetung. »Ich liebe es, deine Frau zu sein«, sagte sie sanft.
Jessa schluckte schwer. »Ich weiß nicht, was ich getan habe, um dich zu verdienen, aber ich bin froh, dass ich’s getan habe – was auch immer es war.«
»Das wirst du nicht mehr behaupten, wenn du mir nicht bald was zu essen gibst. Dann werde ich nämlich wieder ohnmächtig und mache mich zur Vollidiotin, wie letzte Nacht.«
»Du hast dich nicht zur Vollidiotin gemacht, aber ich muss schon sagen, du hast eine ganz eigene Art, die Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen.«
Shara klapste ihr auf den Hintern. »Na, wenn ich mich recht entsinne, hast du mir deine Aufmerksamkeit ganz freiwillig zukommen lassen.«
Jessa grinste verschmitzt. »Hm. Du hast aber auch eine wunderbare Art, dich bei jemandem für eine Tasse Tee und die Benutzung der Waschmaschine erkenntlich zu zeigen.«
Shara hob eine Braue in die Höhe und warf ihr einen verführerischen Blick zu. »Du solltest mal sehen, was ich für ein ganzes Frühstück zu bieten habe . . .«
»Reichen dir dafür Pfannkuchen und echter Ahornsirup, Rühreier, Obst, Joghurt und frisch gebrühter Kaffee? Ich könnte mir noch was anderes einfallen lassen –«
Shara ächzte. »Liebes, ich verspreche dir, allein die Pfannkuchen und der Kaffee verschaffen dir schon eine Menge an sexuellen Gefälligkeiten.«
Jessa ging lachend zurück zum Pfannkuchenteig, den sie nun mit mehr Begeisterung umrührte als vor Sharas Auftauchen.
Kapitel 27
D er Januar verschwamm in Glückseligkeit. Shara mietete eine Wohnung in South Kensington und redete davon, eine neue Bleibe zu kaufen, da sie ihre Hälfte des Hauses in Highgate an Derek verkauft hatte, aber sie schien damit keine Eile zu haben. Immer mehr ihrer Kleidungsstücke tauchten in Jessas Schrank auf, was Jessa allerdings nichts ausmachte; im Gegenteil, sie dort zu sehen gab ihr ein gutes Gefühl.
Manchmal, wenn sie im Londoner Westen zu Abend aßen, blieben sie über Nacht in Sharas Wohnung, aber beide fühlten sich in Jessas Loft viel mehr zu Hause, als in der vorübergehenden Behausung, die von einem Innenarchitekten zwar geschmackvoll aber unpersönlich möbliert worden war, während Sharas eigene Habe eingelagert blieb.
Es war kalt, grau und stürmisch in London, aber Jessa konnte sich nicht erinnern, sich jemals so gut gefühlt zu haben. Ihre Tage entwickelten eine faule, einseitige und irgendwie beruhigende Gleichförmigkeit, die immer wieder unterbrochen wurde durch abenteuerliche, berauschende Liebesakte, nach denen sie sich jedesmal wunderte, wie ihr Körper all die Jahre überstanden hatte, in denen ihm Shara vorenthalten worden war.
Jessa wachte für gewöhnlich sehr früh auf. Manchmal blieb sie einfach mit Shara im Bett, und sie liebten sich, aber an anderen Tagen stand sie auf und tat was Shara ›diese seltsamen Morgendinge‹ nannte, wie zum Beispiel meditieren, ins Dharma Center gehen oder in ihrem eigenen Fitnessraum trainieren. Wenn sie lange aufgeblieben war, weil sie komponiert hatte, ging sie manchmal joggen, duschte und schlüpfte dann ins Bett, noch bevor Shara sich überhaupt gerührt hatte. Ihr gefiel diese Zeit am Morgen, wenn sie sich müde und entspannt an Shara kuschelte. Manchmal wachte Shara davon auf und schlang ihren Arm um sie, bevor sie dann beide einschliefen.
Sie sprachen morgens kaum miteinander, weil Shara zwar süß, aber vor Mittag nicht sehr mitteilsam war. Sie gingen ihren eigenen Angelegenheiten nach: Jessa spielte Klavier und kritzelte Notizen oder studierte Partituren, Shara las Drehbücher oder benutzte den Fitnessraum in nachdenklicher Abgeschiedenheit. Irgendwann blätterten beide durch die Tageszeitungen, die Jessa abonniert hatte. Aber was auch immer sie taten, alles war mit Musik untermalt – auch wenn eine von beiden dafür Funkkopfhörer trug, um die andere nicht zu stören.
Zur Mittagszeit hatten beide es meistens geschafft zu duschen und sich anzuziehen, und nach einer einsilbigen Diskussion darüber, wonach ihnen war, gingen sie in eines der Restaurants in Clerkenwell. Wenn sie bereits planten, am Abend auszugehen oder etwas anderes vorhatten, machten sie sich rasch selbst etwas zu essen. Beide hatten stapelweise Fan-Post zu erledigen, was sie ab und zu nachmittags in
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