Spaziergang im Regen
dass ich diese Oper zum ersten Mal in Buenos Aires dirigieren werde; ich bin ein bisschen nervös.«
Shara setzte sich neben sie. »Nur wegen des Dirigierens?«
Jessa schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Wieso kennst du mich nur so gut?«
»Weil ich dich liebe«, erwiderte Shara einfach. »Also, wo drückt der Schuh?«
»Wir haben eine Einladung zu einer Valentinstags-Party.« Ehe Shara etwas sagen konnte, fuhr sie rasch fort. »Von Steve. Er spielt Cello beim Londoner Symphonieorchester, und er veranstaltet diese Party jedes Jahr. Er meint, dass er damit die einzige Möglichkeit bietet, um am Valentinstagsabend Spaß zu haben, egal ob du verpaart bist oder nicht, und jeder seiner Freunde versucht zu kommen. Den meisten Partnern dieser Freunde macht es nach dem ersten Mal auch nichts mehr aus, denn es ist zwar nicht besonders romantisch, dafür aber umso lustiger, und Steve legt immer genügend langsame Stücke auf, für die, die –«
Shara legte den Zeigefinger auf Jessas Lippen, um ihren Redeschwall zu unterbrechen. »Psst . . . Ich komme mit. Nichts wäre mir lieber.«
Jessa schaute sie zweifelnd an. »Ich will nicht, dass du dich unbehaglich fühlst –«
»Ist Steve etwa ein Ungeheuer?« fragte Shara amüsiert. Sie wusste, warum Jessa Zweifel hatte. Jessa hatte keine Kontrolle darüber, wer auf der Party sein würde, und jemand könnte sie erkennen und ausplaudern, dass sie in eine romantische Beziehung mit Jessa verwickelt war. Aber sie konnte von Jessa nicht erwarten, dass sie sich ausschließlich in geschlossenen Kreisen bewegten, nur um sicherzugehen, dass sie sich nicht unbehaglich fühlte. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass ihr der Gedanke an dieses Risiko schreckliche Angst einjagte. Das Ende ihrer Beziehung mit Derek war endlich aus den Klatschspalten verschwunden, aber jeder kleinste Hinweis auf eine lesbische Beziehung wäre ein gefundenes Fressen für die Gerüchteküche, und ihr gesamtes Leben würde in einen künstlichen Skandal verwandelt. Sie war auch sicher, dass Derek nur allzu gern seinen Senf beisteuern würde. Aber das war ihr persönliches Problem, und sie konnte nicht von Jessa verlangen, sich deshalb von allem abzukanzeln. Jessa war so gut zu ihr und erwartete so wenig im Gegenzug, dass sie sich ihr ganz geben wollte.
»Aber natürlich nicht, sonst hätte ich doch nicht –« Sie erkannte, dass Shara sie aufgezogen hatte, warf sich mit spielerischem Knurren auf sie und drückte sie auf die Couch. »Ich sollte dich dafür bestrafen, dass du dich so über mich lustig machst . . .«
»Mmm, nach was für einer Bestrafung ist dir denn zumute?« Shara war nicht im geringsten eingeschüchtert. Sie wusste, dass sie in diesem Bereich ihrer Beziehung besonders gut zu Jessa sein konnte. Sex mit Männern verblasste zur Unkenntlichkeit, verglichen mit dem, was sie in Jessas Bett fand, und sie wusste, dass es auch für Jessa etwas ganz Außergewöhnliches war.
Jessa starrte sie wie verzaubert an. Shara hatte Mantel und Schuhe abgelegt und lag nun dort in ihrer schwarzen Hose und dem smaragdgrünen Pullover, der ihre grünbraunen Augen betonte. Ihr Haar wuchs langsam wieder länger und die dunkle Tönung war herausgewaschen, so dass die Strähnen, die weich über ihre Wangen fielen, wieder wie Mahagoni glänzten. Shara lächelte sie aufreizend an, und etwas in ihrem neckenden Gesichtsausdruck veranlasste Jessa dazu, sie überraschen zu wollen. Der Gedanke erregte sie nicht nur rein körperlich.
Sie stand von der Couch auf, Sharas Handgelenk noch immer fest umschlungen, und zog sie auf die Beine. »Komm«, befahl sie.
»Dein Wunsch ist mir zwar allzu gern Befehl, aber ich fürchte, da musst du dich schon etwas mehr anstrengen«, erwiderte Shara mit einem lasziven Grinsen, aber ihr Herzschlag wurde schneller, als sie den entschlossenen Blick in Jessas Augen sah.
Im Schlafzimmer angekommen schubste Jessa sie ungalant aufs Bett und fragte: »Vertraust du mir?«
Fasziniert antwortete Shara langsam: »Ja . . .«
Mit gerunzelten Brauen und ernstem Gesicht erklärte Jessa: »Wenn du dich zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr sicher fühlst, will ich, dass du ein Wort sagst, bei dem ich weiß, dass ich aufhören soll, was auch immer ich gerade tue. Es muss was anderes als ›warte‹ oder ›nicht‹ sein, weil die Teil des Spiels sein könnten.«
Shara verspürte ein beständiges Pochen zwischen ihren Schenkeln, das ihren rasenden Herzschlag
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