Special Der Zauberbann
annahm. Ein aufkommender, zunächst noch leichter Wind erschwerte ihm das Vorankommen. Er legte eine Verschnaufpause auf dem Ast einer Tanne ein und lauschte dem Luftzug, der leise durch die Bäume fegte.
Das Zwitschern der Vögel, und auch das Zirpen der Grillen verstummte. Dunkle Gewitterwolken zogen auf, und ein heftiges Unwetter braute sich zusammen.
»Hoffentlich schaffe ich es noch rechtzeitig bis zum Turm hinauf, bevor es zu regnen beginnt! Mit nassen Flügeln werde ich das Fliegen wohl vergessen können!« Tim schaute besorgt zum bedeckten Himmel. So wartete er nicht lange und flog zügig weiter. Doch der Wind hatte noch weiter zugenommen und schon nach einem kurzen Stück war Tim mit seinen Flugkünsten am Ende, verlor das Gleichgewicht und stürzte ab.
»Huaaa!«, schrie er laut und plumpste prompt in ein Bussardnest. Benommen raffte er sich auf und blickte verdutzt auf das Küken, das sich neben ihm befand. Es streckte den Hals und schrie mit weit geöffnetem Schnabel, als würde es auf seine Fütterung warten.
Oh Schreck! Vermutlich wird jeden Moment die Mutter des Kükens herbeifliegen, um es zu versorgen, kam es Tim in den Sinn. »Ich muss sofort hier raus!« Kaum gedacht, sah er schon die Bussardmutter im Anflug immer näher kommen. In Panik krabbelte Tim geschwind zum Nestrand hoch, schwang seine Flügel und flatterte so schnell er konnte davon. Er hatte sich nur ein kurzes Stück vom Nest entfernt, da war ihm der verärgerte Waldvogel bereits auf der Fährte. Tim konnte sich gerade noch rechtzeitig zwischen den dichten Ästen einer großen Tanne verkriechen. »Mit diesem Vogel ist wohl nicht zu spaßen! Wenn er mich kriegt, bin ich verloren.«
Mehrere Male versuchte das wilde Federvieh, Tim mit dem Schnabel zu schnappen, doch dann gab es auf und flog zurück zum Nest.
»Puh, das war aber knapp!«
Erleichtert kroch Tim aus seinem Unterschlupf hervor. »So, jetzt aber schnell zum Turm hinauf.«
20 DER KERKER
Als Tim schließlich den Turm erreichte, hatte bereits die Abenddämmerung begonnen.
Vom anstrengenden Flug erschöpft, setzte er sich auf einen Felsen und holte die Königsperle aus seiner Hosentasche. Er hielt sie in der Hand, konzentrierte sich auf seinen Wunsch und nahm im selben Augenblick wieder menschliche Gestalt an.
»Man möchte es fast nicht für möglich halten, aber das Verzaubern funktioniert doch tatsächlich völlig problemlos!«, staunte Tim.
Er streifte sich seine schulterlangen, vom Wind zerzausten Haare aus dem Gesicht und betrachtete mit misstrauischem Blick den von Fichtenbäumen halb verdeckten alten Turm. Die Mauern waren aus roten Backsteinen und das Gebäude wirkte mit seinen von eisernen Gitterstäben geschützten schmalen Fenstern unheimlich und verlassen.
Der immer stärker wehende Wind rauschte gespenstisch durch die hohen, schlanken Tannen. Mit dem einsetzenden Unwetter kam auch die Dunkelheit, und Tim spürte auf seiner Nase die ersten Regentropfen.
Während er sich tastend durch die hohen, wild gewachsenen Gräser und Büsche immer näher an den Turm heranbewegte, begann es heftig zu regnen, zu donnern und zu blitzen. Der Wind wurde zu einem Sturm, und die Spitzen der Tannen neigten sich wie die Segel eines sinkenden Schiffes.
Das Haar klebte Tim auf der nassen Stirn und durch den triefenden Regen konnte er sein Ziel nur undeutlich erkennen. Plötzlich knackte es unter ihm, und ehe er wusste, wie ihm geschah, stürzte er in eine gut getarnte Falle in das Kellergewölbe des Turms und verlor das Bewusstsein.
Als Tim erwachte, lag er an Händen und Füßen gefesselt auf einem kalten Betonboden. Stickiger, modriger Geruch raubte ihm fast den Atem. Alles war dunkel, und er konnte sich nur auf sein Gehör verlassen. Schließlich vernahm er durch das heftige Gewitter hindurch Schritte, die draußen über den Flur immer näher kamen. Eine morsche Tür öffnete sich, und einige etwas klein geratene, buckelige Gestalten traten ein. Zwei von ihnen trugen Fackeln.
»Gut, dass du ihn vorhin gleich gefesselt hast«, war die herbe Stimme von einem der seltsamen Kerle zu hören. »So macht er uns wenigstens keine Schwierigkeiten.«
Die anderen zwei fassten Tim unter den Armen an und schleiften ihn in den benachbarten Kerker.
Ein kleiner Kerzenleuchter an der steinernen Wand warf nur schwaches Licht in das kahle, finstere Verlies. Tim erkannte nun vier widerliche, lumpig gekleidete Kobolde mit gemeinen Gesichtszügen. Ihre roten, unter buschigen Brauen
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