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Special - Zeig dein wahres Gesicht

Special - Zeig dein wahres Gesicht

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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jedoch von der Küste fern.
    Die Krims schienen sich an das Wanderleben zu gewöhnen. Ihre Flugfertigkeit wurde immer besser, aber es war nie ein Problem, ihnen zu folgen. Die ständige Übung war gut für Zanes Koordination, aber im Vergleich zu den anderen stand er weiterhin unsicher auf seinem Brett.
    Shays Vorsprung wuchs vermutlich mit jeder Stunde. Tally hätte gern gewusst, ob sich die anderen Schlitzer ihr angeschlossen hatten. Oder war Shay so vorsichtig, dass sie allein reiste und wartete, bis sie New Smoke gefunden hatte, um Verstärkung herbeizurufen?
    Mit jedem Tag, an dem die Krims ihr Ziel nicht erreichten, wurde es wahrscheinlicher, dass die Specials ihnen zuvorka men, wodurch diese ganze Wanderung zu einem grausamen Witz wurde, genau wie Shay gesagt hatte.
    Weil sie allein unterwegs war, hatte Tally viel Zeit zum Nachdenken, und meistens fragte sie sich, ob sie wirklich das eigensüchtige Ungeheuer war, das Shay beschrieben hatte. Es kam ihr nicht fair vor. Wann hatte Tally denn je die Möglichkeit gehabt, an sich zu denken? Seit Dr. Cable sie rekrutiert hatte, waren fast alle Entscheidungen für Tally von anderen Leuten getroffen worden. Immer zwang irgendjemand sie dazu, im Konflikt zwischen den Smokies und der Stadt Partei zu ergreifen. Ihre einzigen echten Entscheidungen bisher waren gewesen, in Old Smoke hässlich zu bleiben (was überhaupt nicht funktioniert hatte), mit Zane aus New Pretty Town zu fliehen (auch ein Fehlschlag) und sich von Shay zu trennen, um Zane zu beschützen (bisher nicht gerade ein Erfolg). Alles andere war geschehen aufgrund von Drohungen, Unfällen, Läsionen im Gehirn und Operationen, die ihr Denken verändert hatten. Also nicht gerade ihre Schuld.
    Und doch endeten sie und Shay offenbar immer wieder auf verschiedenen Seiten. War das ein Zufall? Oder gab es in ihnen beiden etwas, das sie immer wieder aus Freundinnen in Feindinnen verwandelte? Vielleicht waren sie wie zwei unterschiedliche Arten - zum Beispiel Habicht und Kaninchen -, die niemals Verbündete sein können.
    Und wer war dann der Habicht?
    Hier draußen in der Einsamkeit spürte sie, wie sie sich wieder änderte. Auf irgendeine Weise fühlte sie sich hier in der Wildnis weniger wie eine Special. Sie sah noch immer die eisige Schönheit der Welt, aber etwas fehlte: die Geräusche der anderen Schlitzer in ihrer Nähe, ihr vertrautes Atmen durch die Hautantenne. Tally ging auf, dass es beim Special-Dasein nicht nur um Kraft und Geschwindigkeit ging, es ging darum, zu einer Gruppe zu gehören, einer Clique. Im Lager hatte Tally das Gefühl gehabt, mit den anderen verbunden zu sein - immer im
    Bewusstsein der Macht und der Privilegien, die sie teilten, und der Anblicke und Gerüche, die nur ihre übermenschlichen Sinne wahrnehmen konnten.
    Bei den Schlitzern war Tally sich immer wie etwas Besonderes vorgekommen. Aber hier, allein in der Wildnis, sorgte ihre per fekte Sicht nur dafür, dass sie sich winzig klein fühlte. In all ihren fantastischen Details schien die natürliche Welt groß genug zu sein, um sie zu verschlingen.
    Die Gruppe von Flüchtlingen da vorn ließ sich von ihrem Wolfsgesicht und ihren rasierklingenscharfen Fingernägeln weder beeindrucken noch einschüchtern. Wie sollte das auch möglich sein, wo sie Tally niemals sahen? Sie war unsichtbar, eine Ausgestoßene, die allmählich verschwand.
    Sie war fast erleichtert, als die Krims ihren zweiten Fehler machten.
    ***
    Sie hatten angehalten, um an der Seite eines hohen Felsvorläufers vom Seewind geschützt ihr Lager aufzuschlagen. Das Unkraut kam hier dicht an sie heran, es leuchtete sanft, als die Sonne höher stieg, und färbte die Hügel landeinwärts so weiß wie Sanddünen.
    Die Krims klappten ihre Bretter auseinander und beschwerten sie mit Steinen, machten ein halbwegs brauchbares Feuer und verzehrten ihre Mahlzeit. Tally sah zu, wie sie dann gleich einschliefen, erschöpft von einer weiteren langen Reise.
    So weit von der Stadt entfernt brauchte sie sich keine Sorgen mehr zu machen, dass die Bretter entdeckt werden konnten. Ihre Hautantenne hatte schon seit Tagen keine Signale der Wächter eingefangen. Aber als sie sich auf einen weiteren langen Beobachtungstag einstellte, fiel Tally auf, dass eines der Bretter - das von Zane - dem Seewind ausgesetzt war und auf dem Felsvorsprung hin und her schwankte.
    Das Brett flatterte und einer der Steine, die es beschwerten, rollte von einer Ecke.
    Tally seufzte -  nach einer ganzen Woche hier

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