Special - Zeig dein wahres Gesicht
draußen hatten die Flüchtlinge das noch immer nicht richtig gelernt -, aber zugleich fühlte sie ein Ping der Erregung. Wenn sie das in Ordnung brächte, dann hätte sie immerhin etwas zu tun und würde sich vielleicht weniger belanglos vorkommen. In diesen wenigen Augenblicken würde sie nicht ganz und gar allein sein. Sie würde den Atem der schlafenden Krims hören und einen Blick auf Zane werfen können. Zu sehen, wie er ruhig dalag und schlief, unberührt von seinem Zittern, erinnerte Tally immer daran, warum sie ihre Entscheidungen so und nicht anders getroffen hatte.
Sie kroch auf das Lager zu und ihr Tarnanzug nahm die Farbe des Bodens an. Die Sonne stieg hinter ihr auf, aber das hier würde viel leichter sein als damals am Flussufer, als alle acht Bretter gerettet werden mussten. Zanes Hubbrett schwankte noch immer im Wind und eine weitere Ecke hatte sich befreit, aber immerhin hatte es noch nicht abgehoben. Vielleicht hatten die Magnetvorrichtungen Kontakt zu einer unterirdischen Eisenader gefunden und hielten es am Boden fest.
Als Tally das Brett erreichte, flatterte es hin und her wie ein verletzter Vogel, und der Seewind, der es bewegte, roch nach Seetang und Salz. Seltsamerweise hatte irgendwer neben dem Brett ein altes, in Leder gebundenes Buch liegenlassen. Seine Seiten wurden raschelnd umgeblättert.
Tally kniff die Augen zusammen. Es sah aus wie das Buch, in dem Zane in der ersten Nacht gelesen hatte, als sie ihn nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus besucht hatten.
Eine weitere Ecke des Brettes lockerte sich und Tally hob die Hand, um es sich zu schnappen, ehe der Wind es davontrug. Aber das Hubbrett bewegte sich nicht.
Etwas stimmte hier nicht ...
Und dann sah Tally, warum es nicht davonflog. Die vierte Ecke war an einen Stock gebunden und damit fest gesichert. Wer immer es hier draußen im Wind abgelegt hatte, wusste, dass die Steingewichte nicht zuverlässig wären.
Dann hörte sie etwas durch das Rascheln der Buchseiten hindurch - dieses blödsinnigen lauten Buches, das ganz offensichtlich hier ausgelegt worden war, um andere Geräusche zu überdecken. Ein Krim atmete weniger gleichmäßig als die anderen ... jemand war wach.
Sie fuhr herum und sah, dass Zane sie beobachtete.
Tally sprang auf die Füße, riss sich den Handschuh ab und fuhr mit derselben Bewegung den Stachel aus. Aber Zane hob eine Hand: Darin hielt er eine Sammlung aus Metallspießen und Feuerzündern. Selbst wenn Tally es irgendwie schaffte, die fünf Meter zu überspringen und ihn zu stechen, würde das viele Metall zu Boden fallen und die anderen wecken.
Aber warum hatte er nicht einfach aufgeschrien? Sie erstarrte und wartete darauf, dass er Alarm schlug, aber stattdessen hob er langsam einen Finger an seine Lippen.
Seine listige Miene sagte: Ich halte den Mund, wenn du das auch tust.
Tally schluckte und ließ in der Dunkelheit ihren Blick über die anderen Krims wandern. Niemand beobachtete sie, alle schliefen tief. Zane wollte allein mit ihr sprechen.
Sie nickte und ihr Herz hämmerte wild.
***
Sie krochen aus dem Lager und um den Felsen herum, an eine Stelle, wo Wind und Wellen ihr Gespräch in ein stetiges Dröhnen hüllen würden. Jetzt, wo Zane sich bewegte, hatte sein Zittern wieder eingesetzt. Als er sich im struppigen Gras neben sie setzte, schaute Tally ihm nicht ins Gesicht. Sie spürte schon, wie Ekel in ihr aufzusteigen drohte.
„Wissen die anderen von mir?“, fragte sie.
„Nein. Ich war selber nicht sicher. Ich dachte, ich hätte mir vielleicht etwas eingebildet.“ Er berührte eine Schulter. „Freut mich, dass das nicht so war.“
„Ich kann einfach nicht fassen, dass ich auf diesen blöden Trick reingefallen bin.“
Er kicherte. „Tut mir leid, dass ich deine gute Seite ausgenutzt habe.
„Meine was?“
Aus dem Augenwinkel sah Tally sein Lächeln. „Du hast uns am ersten Tag beschützt, oder? Hast die Hubbretter außer Sichtweite geschafft.“
„Ja. Ein Wächter hätte euch fast entdeckt. Blubberköpfe.“
„Hatte ich mir gedacht. Und deshalb bin ich davon ausgegangen, dass du uns wieder helfen würdest. Unsere eigene Leibwächterin.“
Tally schluckte. „Ja, klasse. Schön, so geschätzt zu werden.“
„Du bist also allein?“
„Ja, ganz allein.“ Das stimmte jetzt ja schließlich.
„Du solltest gar nicht hier draußen sein, oder?“
„Du meinst, verweigere ich die Befehle? Ich fürchte, ja.“
Zane nickte. „Ich habe gewusst, dass du und Shay noch
Weitere Kostenlose Bücher